Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 108, Nr. 01-02, 16.1.2018, (71) genese chronischer NCDs beitragen [Dom- misch et al., 2017]. Dies bedeutet, dass die Krankheitslast durch Parodontitis in Über- einstimmung mit den WHO/UN-Prioritäten und -Strategien zur Bekämpfung der NCDs mittels „Common Risk Factor Approach“ adressiert werden sollte [Sheiham & Watt, 2000; Tonetti et al., 2017a]. Altern und Parodontitis Ältere Patienten sind häufig an einer oder mehreren NCDs erkrankt. Zugleich steigt die Parodontitisprävalenz mit zunehmendem Lebensalter an [DMS V]. Aufgrund des zunehmenden Zahnerhalts bis ins höhere Lebensalter und des demografischen Wan- dels wird der parodontale Behandlungs- bedarf in Deutschland noch steigen (Abbil- dung 6). Vor diesem Hintergrund sind die Zusammenhänge von Altern, Parodontitis und Immunstatus von Bedeutung. In der Immungerontologie bezeichnet Immun- seneszenz die Abnahme der Leistung des Immunsystems mit zunehmendem Alter. „Inflamm-aging“ beschreibt einen chronischen Entzündungsprozess als Altersphänomen, der durch die Zunahme proinflammatorischer Zytokine und Akute-Phase-Proteine mit zunehmenden Alter gekennzeichnet ist [Franceschi et al., 2000]. Der komplexe Zusammenhang zwischen Altern und Parodontitis ist aufgrund zahl- reicher Komorbiditäten und Medikationen nicht ohne Weiteres zu entschlüsseln. Heute wird der Einfluss des Alterns nicht nur als Folge der langjährigen entzündlichen Belastung mit kumulativen Gewebeschäden angesehen (Hypothese des kumulativen Effekts), vielmehr trägt das Altern zur Pathogenese der Parodontitis durch alters- abhängige Veränderungen im immun- inflammatorischen Status des Wirts bei (Hypothese der altersveränderten Anfällig- keit) (Abbildung 7) [Hajishengallis, 2014c]. Diese altersbedingten Veränderungen im Immunstatus betreffen Funktionseinschrän- kungen sowohl der innaten als auch der adaptiven Immunantwort mit chronischer Entzündung [Ebersole et al., 2016; Preshaw et al., 2017], was in Prävention und Thera- pie der Parodontitis bei älteren Patienten berücksichtigt werden muss [Tonetti et al., 2017b]. Zusammenfassung Weitere Fortschritte im Verständnis der Ätiopathogenese der Parodontitis werden in Zukunft weiter verbesserte individuelle Risikoeinschätzungen für eine zielgerichtete Prävention und personalisierte Therapie- ansätze im Sinne einer „Precision Medicine“ ermöglichen, um nach einer Dsybiose ein mit Gesundheit assoziiertes orales Mikro- biom wiederherzustellen. Univ.-Prof. Dr. med. dent. Dr. med. Søren Jepsen, MS Direktor der Poliklinik für Parodontologie Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde, Zentrum für ZMK Welschnonnenstr. 17, 53111 Bonn sjepsen@uni-bonn.de Univ.-Prof. Dr. med. dent. Henrik Dommisch CharitéCentrum ZMK CC 3 Direktor der Abteilung für Parodontologie und Synoptische Zahnmedizin Aßmannshauser Str. 4–6, 14197 Berlin PD Dr. med. dent. Moritz Kebschull Oberarzt der Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde, Zentrum für ZMK Welschnonnenstr. 17, 53111 Bonn Foto: privat Univ.-Prof. Dr. med. dent. Dr. med. Søren Jepsen, MS Studium der Zahnmedizin und Medizin in Hamburg, 1982 bis 1985 Prothetik, Uni Hamburg, 1987 bis 1988 Parodon- tologie (DAAD-Stipendium), Loma Linda University (LLU), Kalifornien, 1990 bis 1991 Postdoktorand Parodontologie/ Implantologie (DFG-Stipendium) an der LLU, MS-Degree, AAP Diplomate, 1992 bis 2002 OA Zahnerhaltung, Uni Kiel, 2002 Ruf Lehrstuhl Zahnerhaltung und Parodontologie, Uni Bonn, 2008 Ruf Uni Bern, Schweiz, seit 2005 gewähltes Mitglied der Leopoldina, 2008 bis 2015 Sprecher der DFG- Klinischen Forschergruppe 208 (Ursachen und Folgen von Parodontopathien) in Bonn, seit 2012 Vorstandsmitglied und 2015 bis 2016 Präsident der EFP, 2017 Co-Chair AAP/EFP World Workshop on the Classification of Periodontal and Peri-implant Diseases, Scientific Chair EuroPerio9 Für eine erfolgreich ge- löste Fortbildung erhal- ten Sie 2 CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. Ätiologie der Parodontitis CME AUF ZM - ONLINE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Abbildung 7: Das Altern trägt zur Pathogenese der Parodontitis durch altersabhängige Veränderungen im immuninflammato- rischen Zustand des Wirts bei, der die alternden parodonta- len Gewebe anfälliger für die Parodontitis macht. Quelle: nach Hajishengallis, 2014c Einfluss des Alterns auf die Parodontitis 71

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