Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02
zm 108, Nr. 01-02, 16.1.2018, (77) Resttaschen nach der ersten Therapiephase ist die resektive Parodontalchirurgie (Abbil- dung 5). Mittels eines apikalen Verschiebe- lappens mit resektiver Knochenchirurgie wird eine positive Gingivaarchitektur mit minimalen Sondierungstiefen auf reduzier- tem Niveau erschaffen [Carnevale und Kaldahl, 2000; Kebschull und Dommisch, 2013]. Diese Therapieoption wird aufgrund der ästhetischen Einschränkung durch starke Gingivarezession nur in der funktionellen Zone oder präprothetisch (zur Kronen- verlängerung) durchgeführt. Die resektive Chirurgie ist bei tiefen Resttaschen ohne einer regenerativen Therapie zugängliche Defekte (siehe unten) indiziert. Was geht regenerativ? Die regenerative Parodontalchirurgie stellt eine der Revolutionen der Zahnheilkunde dar – erstmals können hier verloren gegan- gene Strukturen nicht nur repariert oder ersetzt, sondern neu hergestellt werden. Das Prinzip der regenerativen Chirurgie ist es, die bei der Heilung nach einer sub- gingivalen Instrumentierung oder einer klassischen Lappenoperation auftretende rasche Apikalmigration von schnell wach- senden Epithelzellen zu verhindern und so die Ausbildung eines New Attachments mit neuem azellulären Fremdfaserzement, neuem Faserapparat und neuem Knochen zu fördern. Es ist nachvollziehbar, dass eine solche Modifizierung der parodontalen Wundhei- lung nur unter Berücksichtigung von sys- temischen und lokalen Patientenfaktoren sowie einer optimalen chirurgischen Technik funktionieren kann. Als wesentlich hat sich auf Ebene der Patientenfaktoren herausge- stellt, dass regenerative Eingriffe bei Patien- ten mit Vorliegen von Verhaltensfaktoren wie Rauchen oder mangelnder Compliance sowie von systemischen Faktoren wie einem schlecht eingestellten Diabetes mellitus oder einer hohen Stressbelastung mit einem deutlich erhöhten Misserfolgsrisiko verge- sellschaftet sind. Auf lokaler Ebene ist zu fordern, dass der zu regenerierende Defekt eine möglichst große Tiefe sowie einen möglichst geringen Defektwinkel aufweisen sollte (Abbildung 6a). Mehr als die Hälfte der Variabilität eines regenerativen paro- dontalchirurgischen Eingriffs konnte in einer klassischen Studie auf die Kombination der Faktoren Defekttiefe und Defektwinkel zurückgeführt werden [Tonetti et al., 1996]. In einer deutschen Studie wurde erst bei Defekten einer intraossären Tiefe von 3 mm oder mehr sowie eines Defektwinkels von 25° und weniger ein deutlicher Attachment- gewinn nachgewiesen [Klein et al., 2001]. Zusätzlich erfordert ein regenerativer Ein- griff optimierte Weichgewebeverhältnisse (Abbildung 6b) – die Zahl von parodontal- pathogenen Bakterien des roten Komplexes ist direkt mit einer verschlechterten OP- Prognose assoziiert [Heitz-Mayfield et al., 2006], und die Möglichkeit eines primären Verschlusses der Lappen ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg des regenerativen Eingriffs [Cortellini und Tonetti, 2015]. Zur Sicherstellung der primären Deckung des OP-Gebiets sind verschiedene papillen- erhaltende Lappentechniken beschrieben worden. Häufig werden in Abhängigkeit von der Breite der Interdentalpapille der modifizierte (Abbildung 7a bei dreiwändigen Defekten wie in Abbildung 7b; Abbildung 7c bei ein- oder zweiwändigen Defekten wie in Abbildung 7 d) oder der vereinfachte Papillenerhaltungslappen (Abbildungen 7e und 7f) angewendet. Bei adäquater Fallauswahl sind regenerative Eingriffe mit guter Vorhersagbarkeit durch- führbar und weisen eine sehr gute Langzeit- prognose auf [Cortellini und Tonetti, 2004; Cortellini et al., 2017; Bröseler et al., 2017]. Konzepte für Molaren mit Furkationsbefall Molaren mit fortgeschrittenem Furkations- befall weisen gegenüber anderen Zahntypen sowie gegenüber nicht furkationsbefallenen Molaren deutlich erhöhte Misserfolgs- und schlussendlich auch Zahnverlustraten auf [Nibali et al., 2016]. Dies ist auf die schlechte Zugänglichkeit der Furkationsregion für die Biofilmkontrolle zurückzuführen (siehe auch Abbildung 8a). Eine nicht-chirurgische The- rapie, auch in Kombination mit Adjuvantien wie einem lokalen Antibiotikum [Dannewitz et al., 2009], oder eine chirurgische Therapie mittels Accessflaps [Graziani et al., 2015] sind Abbildung 8: Problem fortgeschrittener Furkationsbefall: Die Furkation ist oft nur sehr schwer zu reinigen (a). Gerade bei oberen Molaren ist die Prognose regenerativer Maßnahmen eingeschränkt, daher können hier eher resektive Maßnahmen mit Amputation einzelner Wurzeln notwendig werden (b bis d). Fotos: Kebschull a c b d 77
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