Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03

zm 108, Nr. 3, 1.2.2018, (164) „Ich war überrascht und hatte nicht damit gerechnet, dass ein so kleines Seminar so große Wellen schlagen würde“, erinnert sich Schäfer. „Ich hatte Filmclips der Serie Dr. House genutzt, um ein neues Lehrkonzept ins Leben zu rufen und Studenten für seltene Er- krankungen zu sensibilisieren.“ Mit einer ungewöhnlichen Herangehensweise und „Um- die-Ecke-Denken“ gelingt es ihm, unerkannte Krankheiten aufzuspüren und Patienten zu helfen, denen bisher nicht gehol- fen werden konnte. Ähnlich dem TV-Arzt und Diagnostik- spezialisten Dr. Gregory House – aber ohne dessen Misanthropie, stattdessen mit viel Empathie und Finger- spitzengefühl. Schäfer ist Kardiologie und Internist und hat unter anderem am National Institute of Health (NIH) in den USA geforscht. Seine Arbeitsweise hat zu viel Aufmerk- samkeit geführt – bei seinen Studenten, in den Medien und bei den Patienten. 2010 wurde er für seine Lehrmethoden mit dem Ars-legendi-Preis für exzellente Hochschullehre ausgezeichnet. 2013 wurde er von der Techniker Kranken- kasse und der Bild am Sonntag zum Arzt des Jahres gewählt. Und spätestens seit Februar 2014 wurde Schäfer durch einen Artikel über seine Diagnose einer Kobaltvergiftung aufgrund eines angekratzten metallischen Hüftgelenks in der Fachzeitschrift The Lancet („Cobald intoxication diagnosed with the help of Dr. House“, 6.2.2014) über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Jeder ungelöste Fall ist eine psychische Belastung Das Marburger Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen (ZusE) wurde 2013 gegründet. Nachdem Schäfers Seminar auf ein so großes Echo gestoßen war, wurden mehr und mehr komplexe Patientenfälle aus dem gesamten Bundesgebiet nach Marburg geschickt – seit Gründung des Zentrums mehr als 7.000 umfangreiche, teils mehrere Kilogramm schwere Patientenakten. Und: Hinter jeder Akte steckt ein Schicksal mit der (letzten) Hoffnung auf Hilfe. Aber trotz langer Arbeitstage schaffen die Mar- burger allenfalls 1.000 Anfragen pro Jahr. Primär behandelt werden Klinikzuweisungen aus dem eigenen Haus, dann Patientenfälle, mit denen sich weitere Kliniken oder niedergelassene Ärzte an das Zentrum wenden. Patienten, die eigeninitiativ wer- den, können nur in Ausnahmefällen berück- sichtigt und aufgenommen werden. Für Schäfer und seine Mitarbeiter bedeutet der Aktenberg eine enorme, auch psychische Belastung. Schäfer arbeitet mit einem interdisziplinä- ren Team zusammen: Dazu gehören Spezia- listen aus Pneumologie, Gastroenterologie, Psychosomatik, Onkologie, Neurologie, Nephrologie, Innere Medizin, Allgemein- medizin und Radiologie. Bei Bedarf werden Experten aus anderen Disziplinen in die Beratungen einbezogen – etwa bei Fällen aus der Zahnmedizin. Hinzu kommen die Der deutsche Dr. House Alles begann 2008 – mit der Seminarreihe „Dr. House revisited – oder: Hätten wir den Patienten in Marburg auch geheilt?“. Nach dem Vorbild der US-Serie wollte Dr. Jürgen Schäfer mit seinen Studierenden schwierige medizinische Fälle diskutieren. Ihm und seinem Team gelangen spektakuläre Diagnosen. Das machte ihn zum prominentesten deutschen Medizindetektiv und brachte ihm das Image „dort weiterzumachen, wo andere Ärzte nicht weiterkommen“. Dr. Gregory House hat außergewöhnliche medizinische Fähigkeiten – und ebenso schlechte Umgangsformen. Aber da hört der Vergleich auf. Foto: picture alliance Foto: Pressestelle UKM Prof. Dr. Jürgen Schäfer ist Leiter des Zentrums für unerkannte und seltene Erkrankungen (ZusE) in Marburg. 44 Orale Manifestationen seltener Erkrankungen

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