Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03

zm 108, Nr. 3, 1.2.2018, (165) Labormedizin und Speziallabore im eigenen Haus. Brainstorming und Querdenken be- herrschen die Sitzung. Schäfer: „Wichtigstes Tool sind engagierte Mitarbeiter. Einmal pro Woche gibt es eine Teamsitzung, in der komplizierte Fälle gemeinsam besprochen werden.“ Die Patienten, die zu ihm kommen, leiden oft an diffusen Symptomen: Lähmungen, unerklärliches Fieber, chronische Müdigkeit, Gelenkschmerzen – bisweilen aber auch an Zahnproblemen. Der Leidensdruck der Betroffenen ist enorm. „Die Grenzziehung zur Psychosomatik ist schwierig“, sagt Schäfer. „Viele Erkrankungen gehen über Jahre und Jahrzehnte, da wird jeder einmal depressiv. Viel hängt davon ab, ob man eine gute Anamnese gemacht hat. Es wird oft auf die Psyche geschoben, obwohl man nicht genug nachgeschaut hat.“ Wie man einer genauen Diagnose auf die Spur kommt, erläutert der Professor so: „Wir machen das, was jeder Mediziner macht: Wir suchen Spuren, die zu Hinweisen führen. Es gleicht einer Detektivarbeit, Symptome zu deuten. Der Durchbruch ist oft ein Hinweis im Patientengespräch.“ Der wertvolle erste Blick des Zahnarztes Etwa zehn bis 15 Prozent aller seltenen Er- krankungen hängen mit Zahn- oder Kiefer- erkrankungen zusammen, berichtet Schäfer. Hierbei spielt für ihn der enge Kontakt in die Marburger Universitäts-Zahnklinik eine große Rolle: „Der Zahn- und Mundbereich ist sehr gut einsehbar. Veränderungen dort bekommt der Zahnarzt prima vista mit, er muss diese nur zuordnen. Bei unklarem Fieber sollte der Zahnarzt stets prüfen, ob ursächlich eine Infektion der Zahnwurzel vorliegt oder nicht.“ Zu den seltenen Er- krankungen mit oralen Manifestationen, die vor allem Zahnärzte erkennen können, ge- hört laut Schäfer der sehr späte Milchzahn- verlust bei Hyper-IgE-Syndromen. Auffällig sei hier, dass die Milchzähne dieser Kinder fast immer vom Zahnarzt gezogen wurden. Ebenso gehöre dazu die Hypophosphatasie. Hierbei verlieren Kinder trotz angelegter Wurzeln schon sehr früh ihre Milchzähne. Schäfer empfiehlt: „Zum Zahnarzt müssen die Kinder irgendwann immer, und wann immer dem Zahnarzt etwas Ungewöhn- liches auffällt, dann sollte er die weitere Abklärung durch Experten veranlassen.“ Was treibt ihn an, weiterzuforschen, um den Menschen zu helfen, denen bisher medizinisch nicht geholfen werden konnte? Schäfer findet es reizvoll, seinen Forscher- drang zu verbinden mit seinem Mitgefühl und dem Bestreben, Menschen zu helfen. „Jeder tut das, was er am besten kann“, sagt Schäfer, der sich schon seit seiner Studenten- zeit wissenschaftlich interessiert und sich mit seltenen Erkrankungen auseinander- gesetzt hat. Das ZusE biete ihm dazu beste Möglichkeiten: die intensive Nutzung der Ressourcen einer patientenorientierten Klinik und die Möglichkeit, Valenzen aus der Forschung in die klinische Arbeit einzu- bringen. „Immer nur Mausversuche – das ist nichts für mich.“ Und was war der Fall, der ihn am meisten betroffen gemacht hat? Schäfer: „Das war der Patient mit der Kobaltvergiftung. Das geht unter die Haut, weil das durch einen medizinischen Eingriff erfolgt ist. Mediziner tragen für so etwas die Verantwortung. Das war Folge unseres Handelns und hätte nie passieren dürfen.“ mb/pr Eine Kobaltvergiftung nach Austausch eines schadhaften Hüftgelenks: Der Patient hatte ein Metallgelenk erhalten, weil seine Keramik-Prothese bei einem Sturz gebrochen war. Einige der Keramiksplitter schabten am neuen Gelenk Späne ab und setzten das Kobalt frei. Ein Patient litt unter einer Bleivergiftung: Die Ursache war zunächst unbekannt. Nach gründlicher Anamnese kam heraus, dass der Patient gern täglich in einer antiken Wanne Bäder nahm. Die Wanne war mit bleihaltiger Farbe (sogenanntes „Bleiweiß“) gestrichen worden. Eine Patientin war jahrelang aufgrund von Depressionen behandelt worden: Durch jahrelange unerträgliche Kopfschmerzen wurde sie schließlich arbeitsunfähig – bis herauskam, dass ihre Hormonspirale die Ursache war. Ein Patient war von einem afrikanischen Wurm befallen, obwohl er noch nie in Afrika war: Das Gen des Wurms wurde in einer Stuhl- probe entdeckt. Die Ursache: Er züchtete exotische Fische und hatte sich den Wurm durch importierte Fische beziehungsweise Schnecken ins heimische Aquarium geholt. Kobalt, Badewanne, Spirale, Wurm Seine spektakulärsten Fälle Foto: catsnfrogs_Fotolia Foto: A. Shevchenko_Fotolia Foto: Sven Bähren_Fotolia Foto: Kolevski.V_Fotolia 45

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