Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03
zm 108, Nr. 3, 1.2.2018, (166) Fall 4: Oligodontie Fallbeschreibung: Eine 20-jährige Frau wird mit multiplen Nichtanlagen (Oligodontie) vorstellig. Sie berichtet, dass ihre Milchzähne vollständig angelegt waren. Mit dem einsetzenden Zahnwechsel habe sich jedoch herausge- stellt, dass bei ihr multiple bleibende Zähne nicht angelegt waren. Insbesondere in der Pubertät habe sie sehr darunter gelitten, da sie wegen ihrer Zähne von den Mitschülern missachtet worden sei. Von verschiedenen Zahnärzten sei sie zwar auf die Möglichkeit einer Implantatversorgung hingewiesen worden, diese könne sie sich allerdings nicht leisten. Bei der intraoralen Inspektion zeigen sich ein seitlicher offener Biss, Formanoma- lien der mittleren Oberkiefer-Schneidezähne sowie multiple verbliebene Milchzähne. Der radiologische Befund bestätigt den Ver- dacht auf eine Oligodontie. Auf Nachfrage berichtet die Patientin, dass sie „wenig schwitze“. Aufgrund der Befunde wird der Patientin eine genetische Beratung bei Verdacht auf eine WNT10A-Mutation vorgeschlagen. Die genetische Untersuchung bestätigt letztlich den Verdacht einer ektodermalen Dysplasie. Diagnose: Oligodontie im Zusammenhang mit einer ektodermalen Dysplasie Therapie: Für die Patientin wurde eine implantat- prothetische Versorgung mit vorherigen augmentativen Maßnahmen nach SGB V, § 28 beantragt. Schlussfolgerung: Die ektodermalen Dysplasien sind eine hete- rogene Krankheitsgruppe mit entwicklungs- bedingten Dystrophien ektodermaler Struk- turen. Diese manifestieren sich klinisch mit unterschiedlicher Ausprägung unter anderem von Hypohidrose, Hypotrichose, Nagel- dysplasie, Hypodontie, Oligodontie oder Anodontie. Gerade bei der ektodermalen Dysplasie mit Oligodontie oder Anodontie fällt dem Zahnarzt eine besondere Rolle zu, weil er aufgrund der begleitenden Nicht- anlagen möglicherweise als einer der ersten Mediziner zur Diagnose beitragen kann [Vasconcelos et al.]. Für die kaufunktionelle Rehabilitation werden neben konventionell- prothetischen Versorgungen implantat- getragene Versorgungen beschrieben. Auch gelten bei Oligodontie oder Anodontie implantatgestützte Prothesen bereits im Kindesalter als adäquate Therapiemaßnah- men [Filius MA]. Literatur: 1. Vasconcelos Carvalho M, Romero Souto de Sousa J, Paiva Correa de Melo F, Fonseca Faro T, Nunes Santos AC, Carvalho S, Veras Sobral AP: Hypohidrotic and hidrotic ectodermal dysplasia: a report of two cases. Dermatol Online J. 2013 Jul 14;19(7):18985. 2. Filius MA, Vissink A, Raghoebar GM, Visser A: Implant-retained overdentures for young children with severe oligodontia: a series of four cases. J Oral Maxillofac Surg. 2014 Sep; 72(9):1684–90. Abbildung 1: Nonokklusion im Seitenzahnbereich, Formanomalie der oberen, mittleren Schneidezähne und multiple verbliebene Milchzähne bei einer 20-jährigen Patientin mit WNT10A-Mutation. Fotos: Hanisch Abbildung 2: Panoramaschichtaufnahme mit multiplen Nichtanlagen bei WNT10A-Mutation 46 Orale Manifestationen seltener Erkrankungen
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