Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03

zm 108, Nr. 3, 1.2.2018, (178) in Freie Berufe und andere regulierte Berufe findet nicht statt. „Bewährte Regeln, die dem Schutz von Verbrauchern und Pa- tienten dienen, werden dementsprechend unter ökonomischen Erwägungen als Hin- dernis für mehr europäisches Wirtschafts- wachstum gesehen“, kritisiert die BZÄK. Besonders deutlich wird dies im sogenann- ten Dienstleistungspaket und dem darin enthaltenen Richtlinienentwurf für einen Verhältnismäßigkeitstest von neuem Berufs- recht (siehe Kasten). „Das besondere Ver- trauensverhältnis der Zahnärztinnen und Zahnärzte zu ihren Patienten ist prägendes Abgrenzungsmerkmal zu gewerblichen Tätigkeiten“, erläutert RA Florian Lemor, Hauptgeschäftsführer der BZÄK. „Es be- gründet den Status als Freiberufler.“ EU-Kommission fordert „Wachstum um jeden Preis“ In Deutschland führe dieser Status dazu, dass bestimmte, auf gewerbliche Tätig- keiten abzielenden Regelungen – wie zum Beispiel zum Fremdkapital und zur Fremd- steuerung durch Berufsfremde – keine An- wendung auf die Zahnärzteschaft finden. „Solche Entwicklungen würden das emp- findliche Vertrauensverhältnis zwischen Be- handler und Patient negativ beeinflussen“, meint Lemor. Es sei dringend erforderlich, das deutsche Verständnis von Freiberuflich- keit auch in Europa zu verankern. „Sonst“, prognostiziert er, „höhlen EU-Gesetzgebungs- vorhaben wie das EU-Dienstleistungspaket dieses Verständnis vollständig aus. Der Kommerzialisierung der Heilberufe wären Tür und Tor geöffnet.“ Das Ziel der EU-Kommission: das Wirt- schaftswachstum in Europa ankurbeln. Ihr Instrument: das EU-Dienstleistungspaket. Damit will sie bürokratische Hürden für Unternehmer und Freiberufler abbauen – sagt sie zumindest. Kritiker – darunter die Bundeszahnärztekammer – werfen ihr dagegen das genaue Gegenteil vor. Denn in Deutschland werden Berufsvor- schriften bereits auf ihre Verhältnismäßig- keit geprüft – durch die Berufskammern, die Selbstverwaltung sowie die Landes- und die Bundesregierung – und das ver- pflichtend auf Basis des Grundgesetzes und der Rechtsprechung des Bundes- verfassungsgerichts beziehungsweise des Europäischen Gerichtshofs. Ein sogenann- ter Richtlinienvorschlag zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit künftiger Berufs- regeln wurde von den Gegnern des EU- Dienstleistungspaketes daher stark kriti- siert. Am 4. Dezember hat der Binnen- marktausschuss des Europäischen Parla- ments (IMCO) über diesen Richtlinien- vorschlag abgestimmt – und sich für Sonderregeln für die Gesundheitsberufe ausgesprochen. Dr. Andreas Schwab, Mitglied im EU- Parlament und im IMCO-Ausschuss, hat sich dafür eingesetzt, dass der Vorschlag der EU-Kommission politisch entschärft wird: „In meinem Berichtsentwurf habe ich gefordert, dass die Gesundheitsberufe von der Richtlinie ausgenommen werden. Das hat allerdings keine Mehrheit ge- funden. Dennoch glaube ich, dass wir mit dem Kompromisstext, der im Binnenmarktausschuss jetzt angenommen wurde, die Belange der medizinischen Heilberufe vollumfänglich aufnehmen“, sagte der CDU- Europaabgeordnete. So müssen nun die Mitgliedstaaten im Falle einer berufsrechtlichen Rege- lung, die die Heilberufe oder die Patienten- sicherheit betreffen, stets das Ziel eines hohen Niveaus des Gesundheitsschutzes berücksichtigen. „Solche Verhältnismäßig- keitsanforderungen an Berufsregulierungen sind auch nichts Neues“, erläutert Schwab. „EU-Mitgliedstaaten sind bereits nach der Berufsqualifikationsanerkennungsrichtlinie verpflichtet, bei der Einführung neuer Be- rufsregeln in ihren Ländern eine Verhältnis- mäßigkeitsprüfung durchzuführen.“ Außerdem habe die EU-Kommission im Rahmen ihrer Transparenzinitiative bereits festgestellt, dass die Berufsregeln in Deutschland „verhältnismäßig“ sind. „Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission ist damit nicht gegen Deutschland gerichtet, sondern richtet sich in erster Linie an die Mitgliedstaaten, in denen die Verhältnis- mäßigkeit von Berufsregulierungen noch nicht der Normallfall ist. In Deutschland müssen wir uns keine Sorgen machen.“ Dennoch galt es den Richtlinienvorschlag zu entschärfen: „Die Kommission wollte zum Beispiel, dass die Mitgliedstaaten ‚wirtschaftliche Auswirkungen‘ als Krite- rium für die Verhältnismäßigkeit einer Dienstleistung als Regelung ein- führen“, erläutert Schwab. „Das Kriterium ‚wirtschaftlich‘ wurde jetzt gestrichen, da die Verhältnismäßigkeit einer Regulierung von Gesundheits- berufen in der Tat nicht an wirt- schaftlichen Auswirkungen ge- messen werden sollte.“ Des Weiteren werde klargestellt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, ein hohes Niveau an Gesundheitsschutz im Rahmen der Berufs- reglementierung der medizinischen Heil- berufe zu garantieren. „Dazu ist eine prak- tische Konkordanz zwischen zwei Rechts- vorschriften geschaffen worden, nämlich der Dienstleistungsfreiheit einerseits und der in Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) aufgeführten Verpflichtung, einen hohen Gesundheitsschutz zu gewährleis- ten, andererseits“, ergänzt Schwab. Und wie geht es weiter? In den nächsten Monaten werden EU-Parlament und der Rat der Europäischen Union sich auf einen gemeinsamen Text verständigen müssen. „Da wir uns in vielen Punkten bereits mehr oder weniger einig sind, denke ich, dass die Trilogverhandlungen mit der EU- Kommission recht zügig voranschreiten werden“, gibt sich Schwab optimistisch. „Ich hoffe, dass wir die Verhandlungen bereits im Sommer diesen Jahres erfolg- reich zu einem Ende bringen können und dass die Richtlinie dann zügig in Kraft treten kann.“ nb/pr „Deutsche Ärzte müssen sich keine Sorgen machen“ DR . ANDREAS SCHWAB ZUM EU - DIENSTLEISTUNGSPAKET Foto: CDU_CSU_EU 58 Politik

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=