Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 03
zm 108, Nr. 3, 1.2.2018, (200) Mein bester Freund ist tot, und er starb nicht im Morgenrot. Er verließ uns so, wie er sich das immer gewünscht hatte. Vormittags hat er einen Vortrag in seinem Club gehalten, und abends ist er in aller Stille gegangen. Er war ein Mann der alten Garde, wie ein Vertrauter der Familie in seinem Nachruf notierte: Volksschule, Oberschule, Lehre, Studium, Promotion, Beruf – alles mit besten Noten. Das wahre Meisterstück lieferte mein Freund mit seiner Notfallmappe ab. Darin beschrieb er in lesbarer Handschrift und mit deutschen Worten, was nach seinem Tod zu geschehen habe. Darf ich Sie, liebe Zahn- ärzte, in das Werk einweihen, bevor Ihre letzte Stunde geschlagen haben wird? Die Mappe ist ein schlichter Leitz-Ordner, also nichts Edles, und schon gar nichts Teures. Die Innereien beginnen mit dem In- haltsverzeichnis in römischen Ziffern von I bis VII. Die erste Abteilung enthält Hinweise, in welchen Zeitungen der Tod zu verkünden ist. Das ist das Blatt für die klugen Köpfe, dass ein Leben lang „seine“ Zeitung war, und das ist die Lokalzeitung, weil sich in der Stadt, in der mein Freund lebte, die Zahl kluger Zeit- genossen in überschaubaren Grenzen hält. Die zweite Abteilung listet die Namen der Menschen auf, die vom Tod meines Freundes in Kenntnis zu setzen sind. Das ist eine Liste mit Name, Vorname, Dienstgrad, Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Wohnort. Außerdem enthielt diese Rubrik den Hinweis auf Umschläge, die mein Freund von Hand und mit Tinte beschriftet hatte. Das hat den Angehörigen und Freunden eine richtige Gänsehaut bereitet, oder haben Sie schon einmal eine Trauer- anzeige erhalten, die der Verstorbene hand- schriftlich adressiert hat? Die dritte Abteilung der Notfallmappe ent- hält Anweisungen über das Begräbnis. In seiner Stadt teilen sich zwei Unternehmer das Geschäft mit dem Tod. Das eine heißt Pohl und das andere heißt Wurm. Mein Freund fand es unter seiner Würde, von einem Wurm begraben zu werden, aus diesem Grund bat er seine Kinder, zur Konkurrenz zu gehen. Und sie haben ihm den Wunsch erfüllt, sind seinem Willen nachgekommen, nota bene, die „Feuer- bestattung in Minimalausführung“ in Auf- trag zu geben, um die Leichenkasse nicht über Gebühr zu strapazieren. Daran sehen Sie, dass Sparsamkeit keine Marotte, sondern eine Tugend ist. Im vierten Kapitel hat mein Freund ver- schiedene Dokumente abgeheftet, um dem Pastor bei der Abfassung der Predigt zur Hand zu gehen. Wenn Sie das für übertriebene Fürsorge halten, dann kann ich Sie nur bit- ten, mal bei einem Pastor zu hospitieren und Familien zu besuchen, die den Tod naher Angehöriger betrauern. Das ist harte Arbeit, die an die Nieren geht, und aus diesem Grund gebührt meinem Freund besonderer Dank, den Seelsorger bei der Vorbereitung der Predigt unterstützt zu haben. Wir haben in der vierten Abteilung der Notfallmappe eine detaillierte Beschreibung des Lebens gefunden, die Trauergemeinde in der Kirche hat sich gefreut, so präzise über das Leben ihres Bruders informiert zu werden. Im fünften Kapitel der Notfallmappe ist das Testament abgelegt. Mein Freund hielt es stets mit dem Motto, der wahre Charakter einer Familie offenbare sich frühestens bei Erbschaften. Wie wahr, wie wahr! Daher hat er klare Anordnungen getroffen, was mit den großen Dingen geschehen soll, wer was erhält und wie es um das Vorkaufsrecht für bestimmte Wertgegenstände steht. Ihnen mag diese Akkuratesse kühl und rational vorkommen, ja vielleicht sogar überzogen, doch ich kann Ihnen nur sagen, dass der Tod der Mutter oder des Vaters eine „Ausnahme- situation“ ist, die lange Zeit anhalten kann, und was zuvor geklärt worden ist, führt spä- ter nur selten zu Mord und Totschlag. Das gilt auch für das liebe Geld, dessen Ver- teilung im sechsten Kapital der Notfallmappe geregelt wird. Mein Freund war Jahrzehnte lang Kunde einer Bank, die sich Leistung aus Leidenschaft auf ihre Fahnen geschrieben hat. Da traf sie bei meinem Freund genau auf den richtigen: schöne Worte, große Versprechen, mäßige Ergebnisse. Je älter er wurde, desto jünger wurden die Berater, und irgendwann muss ihn einer dieser Jüng- linge dermaßen zur Weißglut gebracht haben, dass er mit dem Girokonto und dem Depot zur gelben Konkurrenz wechselte. Dort fand er, Gott sei Dank, nicht nur finan- zielle Ruhe bei einem Kundenbetreuer alter Schule, sondern er machte auch das, was ich Ihnen in meinen Artikeln immer wieder vor- schlage. Er tauschte sein ertragloses Depot gegen einen Sportwagen aus Zuffenhausen und stattete das Girokonto mit einer Voll- macht aus, so dass der älteste Sohn den Nachlass mit einem Minimum an bürokra- tischem Aufwand verteilen kann. Das siebte Kapitel ist den Versicherungen gewidmet. Können Sie auf Anhieb sagen, welches Risiko bei welcher Gesellschaft ver- sichert ist? Sollte das wider Erwarten nicht der Fall sein, bitte ich Sie, umgehend die bestehenden Policen zu überprüfen. Erstens werden Sie verblüfft sein, was Sie so abge- schlossen haben, zweitens ist das die beste Gelegenheit, sich zu Lebzeiten von über- flüssigem Plunder zu trennen, und drittens werden Ihnen die Angehörigen einen (klei- nen) Lorbeerkranz flechten, wenn sie wissen, was in die Tonne kann. Ich habe meinem Freund einen großen Kranz aufs Grab ge- legt, weil er ein toller Mann war! Volker Looman zu notwendigen Vorbereitungen vor dem Ableben Weil das Leben endlich ist ... Der Autor ist freiberuf- licher Finanzanalytiker in Stuttgart. Jede Woche veröffentlicht er in der FAZ einen Aufsatz über Geldanlagen. Außerdem unterstützt er Zahnärzte auf Honorarbasis bei der Gestaltung des Privatvermögens. www.looman.de Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber. 80 Praxis
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