Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 04
zm 108, Nr. 4, 16.2.2018, (228) Cybercrime (be-)trifft Sie nicht? Ja schon klar, was ist bei Ihnen auch schon zu holen, Sie haben ja auch „nur“ eine Zahnarztpraxis. Im Vergleich zu den „großen“ Firmen sind Sie ein kleiner, uninteressanter Fisch in dem riesigen in dem Internet schwimmenden Schwarm. Und überhaupt, für die IT- Sicherheit bezahlen Sie ja schließlich einen Dienstleister, VPN ist kein Fremdwort und eine Firewall haben Sie auch. Willkommen im Club zum gemeinsamen Tanz auf dem brodelnden Vulkan. Was auf den ersten Blick recht harmlos wir- ken mag, kann in Wirklichkeit die ultimative Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz sein. Nicht irgendeiner, über die im Fernse- hen oder in Fachzeitschriften berichtet wird, sondern Ihrer! Glauben Sie nicht, weil „et hätt noch immer jot jejange“? Unsere Titelgeschichte zu digitaler Erpres- sung beweist Ihnen das Gegenteil und macht eines überdeutlich: Wenn das „mich wird es schon nicht treffen“ passiert ist, dann stehen Sie schlichtweg alleine auf weiter Flur! Haben Sie keinen Plan, haben Sie auch kaum Hilfe. Da ist es zur Panik nicht weit. Stellen Sie sich vor, Sie kommen morgens in die Praxis, große Aufregung: Kein Zugriff auf die Daten, weder auf den Terminkalender noch auf die Patientendaten, Röntgenbilder und so weiter. Alles verschlüsselt. Und gestern noch die Abrechnung fertigge- macht, aber eben noch nicht abgeschickt. Die Mitarbeiter sind maximal beunruhigt, das Wartezimmer füllt sich. Was tun? IT- Dienstleister, Polizei, Kammer …Wer löst Ihnen das Problem? Und dann fällt Ihnen vielleicht noch ein, dass die physische Daten- sicherung in der gestrigen Hektik „vergessen wurde“. Ich gebe Ihnen einen Tag, bis Sie die Bitcoin-Forderung begleichen wollen. Unterstellt, Sie gehen auf die Erpressung ein, bezahlen und erhalten Zugriff zu Ihren Daten: Wie viel Zeit wird seitdem vergan- gen sein? Ein Tag, eine Woche? Und ist da- mit die Sache aus der Welt? Immerhin ist das ein nahezu anonyme Erpressungsgeschäft. Da sitzt kein Hacker in der Wohnung gegenüber Ihrer Praxis, der nächtelang versucht, in Ihr Computersys- tem einzudringen, um an sensible Patien- tendaten zu kommen. Ganz im Gegenteil. Diese Form der Internetkriminalität ist ein einträgliches Business geworden, nicht nur für Computerfreaks. Mittlerweile gibt es im Darknet Firmen, bei denen man sich wie in einem Baumarkt die gewünschten Schad- programme zusammenkaufen kann. Und der Malware-Anbieter verdient nicht nur am Verkauf der Software, sondern erhält auch seinen Anteil aus dem Erpressungsgeschäft. Diese Form der Computerkriminalität ist ein weitestgehend automatisiertes Geschäfts- modell. Der Erpresser sitzt in der Sonne und schlürft Espresso, während seine Computer weltweit versuchen, in Computersysteme einzudringen. Europol stellt in seinem Cybercrime-Bericht 2016 fest, dass Ransomware zwischenzeit- lich alle anderen Arten von Malware inclusi- ve Bankingtrojaner eingeholt hat. Im Bun- deslagebericht Cybercrime 2016 heißt es: Infizierte Systeme werden oftmals vollver- schlüsselt und gesamte Netzwerke erheb- lich gestört. Betroffene, die ihre IT-Infra- struktur nicht durch aktuelle Back-ups wie- deraufbauen können, erleiden massive Beeinträchtigungen bis hin zum kompletten Ausfall des Geschäftsbetriebs*. 2016 stellte das BSI in einer Umfrage fest, dass fast ein Drittel der befragten deutschen Wirtschafts- unternehmen in den letzten 6 Monaten von Ransomware-Attacken betroffen war. Ich bin daher dem Kollegen Kann sehr dankbar, dass er nicht den Weg gegangen ist, den 99,9 Prozent der Betroffenen gehen, deren Daten nicht oder nur teilweise aus den Backups wiederhergestellt werden konnten. Nämlich zu schweigen, das gefor- derte Lösegeld zu zahlen und zu hoffen, die Daten wieder zu bekommen und dass es so gut wie niemand außerhalb der Praxis be- merkt hat. Mehr dazu auf den Seiten 36 bis 47. Einer der für mich wesentlichsten Aspekte sei schon hier ausdrücklich er- wähnt, auch wenn es geradezu antiquiert klingt: Wer die Datensicherung konsequent und täglich auf einem externen Speicher- medium durchführt und jenes an einem sicheren Ort lagert, ist gegen Cybercrime- Erpressung bestens gewappnet. Weil es so wichtig ist: Die Zauberworte lauten konse- quent und täglich! Denn die Erfahrung des Kollegen Kann stellt keine Ausnahme dar. Alleine im zentralen Rhein-Main-Gebiet ist es in der besagten Woche zu drei weiteren erfolgreichen Cyber- Angriffen auf Zahnarztpraxen gekommen ... Foto: zm-Axentis.de Cybercrime? Antwort: Konsequent und täglich! Dr. Uwe Axel Richter Chefredakteur * https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/Lagebilder/ Cybercrime/cybercrime_node.html https://www.pwc.de/de/mittelstand/assets/it-sicherheit-im-mittelstand-neu.pdf 3 Editorial
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