Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 04

zm 108, Nr. 4, 16.2.2018, (279) Seit seinen Anfängen war unser Beruf – vom Barbier über den Bader und Zahnreißer bis weit ins 20. Jahrhundert hinein – durch die Behandlung des sitzenden Patienten im Stehen charakterisiert. Zeigen erste Abbildungen – etwa eine Karikatur von Louis-Leopold Boilly (1761–1845) – noch Extraktionen am frei- sitzenden Patienten, erleichterte 1790 ein hölzerner Winston-Fauteuil mit Kopfstütze einen solchen Eingriff erheblich. Diese Kopfstütze war über knapp andert- halb Jahrhunderte jene Stützhilfe, die es der Zahnärzteschaft ermöglichte, durch gute Lagerung des Patientenkopfes erfolgreich zu arbeiten. Mit der Einführung einer ergo- nomischen Arbeitsweise vor etwa 60 Jahren nach dem Prinzip der vierhändigen Behand- lung sitzend am liegenden Patienten war ein sukzessiver Übergang vom Arbeiten im Ste- hen zum Arbeiten im Sitzen zu beobachten. Diese Entwicklung ging mit der Begründung einher, dass die Körperbelastung bei der Behandlung im Sitzen geringer ist. Um die Körperbelastung zu variieren, ist es empfehlenswert, die sitzende Behandlung mit der Arbeit im Stehen abzuwechseln. Im Stehen ist man beweglicher, was für die Dynamisie- rung der Arbeitshaltung von großer Bedeutung ist. Auch umgekehrt ist es günstig, stehendes mit sitzendem Arbeiten abzuwechseln. Dies gilt insbesondere für eine Vielzahl von Be- handlungen, für die die Arbeitshaltung im Stehen oft eine bessere Ausgangshaltung darstellt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Patient richtig gelagert ist. Beispiele sind die extra-orale Befundung (mit Palpation), das Abformen, die Verabreichung einer An- ästhesie und die Zahnextraktion – manchmal auch die Zahnreinigung. Oft können diese Behandlungen situations- abhängig zwar auch gut im Sitzen durch- geführt werden. Doch weil der Patient in entsprechenden Phasen aufrecht sitzen muss, erfolgt die Behandlung gezwungener- maßen im Stehen. Entspanntes Arbeiten Wie für das Arbeiten im Sitzen ist für das Ar- beiten im Stehen eine entspannte Arbeits- haltung unerlässlich: Der präzise Umgang mit Instrumenten wie Injektionsspritze, Extraktionszange, Ultraschallhandstück, Abformlöffel oder CAD/CAM-Kamera setzt eine entspannte Arbeitsweise voraus. Dies gilt selbstver- ständlich umso mehr für einen Behandler, der überwiegend im Stehen auch die sonstigen Therapiebereiche wie die mit rotierenden Instrumenten abdeckt. Je größer die physische Belastung durch eine ungünstige Haltung ist, umso schwächer ist die für die unterschiedlichen Instrumente erforderliche Kraftanwendung – ihre Koor- dination und Dosierung können erhebliche Einschränkungen erfahren. Für ein entspanntes Arbeiten sollte man sich vor Augen führen, dass Patienten eine angespannte Arbeitsweise als weniger ange- nehm und weniger vertrauensfördernd erleben. Spannungen beim Behandler über- tragen sich leicht auf den Patienten. Arbeitshaltung im Stehen Bei einer ergonomisch vertretbaren stehen- den Arbeitshaltung ... stehen die Füße zur gleichmäßigen Ver- teilung der Belastung hüftweitbreit flach auf dem Boden. Gut stützende, komfortable Schuhe mit flachen Absätzen sind empfeh- lenswert. sind die Beine leicht gespreizt und die Knie leicht gebeugt; das heißt, nicht ganz Ergonomisches Arbeiten Richtig stehen Rolf de Ruijter, Oene Hokwerda Nach unseren Beiträgen „Richtig sitzen“ (zm 14/2017, zm 21/2017) beleuchten wir jetzt die Arbeit im Stehen: Was sind die wichtigsten Aspekte für ein gesundes stehendes Arbeiten, die oft auch für das Arbeiten im Sitzen von Bedeutung sind? Alle Fotos: de Ruijter 54 Praxis

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