Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 04

zm 108, Nr. 4, 16.2.2018, (301) Nichtanlage von Zähnen, Zahnverluste im Seitenzahnbereich, insuffiziente prothetische Versorgungen nach Stützzonenverlust und eine fehlerhafte Bestimmung der vertikalen Kieferrelation bei vorangegangenen Behand- lungen [Rammelsberg, 2014; Bartlett, 2005; ùDNDU , 2016; Edelhoff et al., 2016]. Ein Ab- sinken der Vertikaldimension kann signifikante Auswirkungen auf die Funktion des stomato- gnathen Systems, das dentale beziehungs- weise faziale ästhetische Erscheinungsbild und die Gesichtsmorphologie betroffener Patienten haben [Turner & Missirlian, 1984; Abduo & Lyons, 2012; Cekic-Nagas & Ergun, 2015]. Wird eine Bisshebung aufgrund der Folgen von Attrition, Abrasion oder Erosion durch- geführt, kann bei Fortbestand dieser Faktoren auch die Langfristprognose der neuen Restaurationen negativ beeinflusst werden; es ist bei derartigen Fällen daher eine strenge Indikationsstellung einzuhalten [Rammelsberg, 2014]. Die Indikation zur Bisshebung besteht, wenn eine zu niedrige Vertikaldimension mit funktionellen oder ästhetischen Proble- men assoziiert ist beziehungsweise wenn notwendige zahnärztliche Restaurationen aufgrund von vertikalem Platzmangel nicht adäquat angefertigt werden können und Alternativen zur Platzbeschaffung, zum Bei- spiel eine chirurgische Kronenverlängerung oder die Verwendung hochfester Restaura- tionsmaterialien mit geringem Platzbedarf, nicht geeignet sind [Rammelsberg, 2014; Ahlers &Möller, 2011; Johansson et al., 2008; Lee et al., 2012; Smith et al., 1997]. Soll die Anhebung der vertikalen Kiefer- relation mit irreversiblen festsitzenden Therapiemitteln (zum Beispiel Table Tops, Teilkronen, Kronen, Brücken) erfolgen, ist eine vorausgehende erfolgreiche Simulation der angestrebten Veränderung mit rever- siblen Maßnahmen Voraussetzung [Ahlers & Möller, 2010; Ahlers & Edelhoff, 2015]. Die initiale Vorbehandlung erfolgt in der Regel mittels konstruierter Okklusionsschienen [Ahlers et al., 2016]. Eine weitere Alternative besteht im adhäsiven Befestigen von okklu- salen Restaurationen auf den natürlichen Zähnen oder auf bereits im Patientenmund vorhandenen Restaurationen [Ahlers & Edelhoff, 2015; Ahlers et al., 2016; Ahlers et al., 2011]. Zeigen diese Maßnahmen eine positive Wirkung, können darüber hinaus irreversible Behandlungsschritte, wie die Adjustierung von Störungen in der Okklusion, kieferorthopädische Korrekturmaßnahmen und/oder die Rekonstruktion von Einzel- zähnen, Zahngruppen oder des gesamten Kausystems zur Anwendung kommen [Ahlers & Edelhoff, 2015; Ahlers et al., 2016; Okeson, 2013]. Um Risiken und die Gefahr von Misserfolgen zu minimieren, sollte vor dem Anfertigen der definitiven Rekonstruktionen ein aus- reichend langer Zeitraum der okklusalen Er- probung und Feinjustierung („Probefahrt“) vorgeschaltet werden. Dies geschieht im Regelfall mithilfe von Langzeitprovisorien [Ahlers et al., 2016]. Vor Beginn der defini- tiven Therapie sollte ein beschwerdefreies Intervall von circa einem halben Jahr vor- liegen [Ahlers et al., 2016; Wright, 2010]. Für die Anhebung der vertikalen Dimension der Okklusion bei weitgehend voll bezahnten Patienten haben sich mittlerweile verschie- dene Behandlungsprotokolle als Alternative zur klassischen invasiven Rekonstruktions- technik mit Kronen etabliert [Ahlers & Möller, 2011; Ahlers & Möller, 2010; Vailati & Belser, 2008; Vailati & Belser, 2008; Vailati & Belser, 2008; Vailati & Carciofo, 2016; Grutter & Vailati, 2013; Attin et al., 2012; Taubock et al., 2012; Tauböck et al., 2011; Schmidlin et al., 2009; Schmidlin et al., 2009; Tepper & Schmidlin, 2005; Hamburger et al., 2015; Hamburger et al., 2011; Edelhoff et al., 2015; Edelhoff, 2014; Edelhoff et al., 2014; Edelhoff et al., 2010; Muts et al., 2014; Schweiger & Edelhoff, 2012; Guth et al., 2012; Edelhoff et al., 2012; Edelhoff & Brix, 2009; Hamburger et al., 2014; Magne et al., 2012; Schlichting et al., 2011; Perrin et al., 2013; Stumbaum et al., 2010; Bartlett, 2006; Zahn et al., 2014], die ent- sprechend dem Ausmaß des notwendigen Zahnhartsubstanzabtrags (noninvasiv, mini- malinvasiv) und dem strukturellen Ablauf der Behandlung (mit/ohne semipermanente Versorgungsphase) eingeteilt werden können [Ahlers & Edelhoff, 2015]: 1. Noninvasive direkte semipermanente kauflächenbedeckende Restaurationen aus Komposit, später ersetzt durch definitive (Keramik-)Restaurationen (3-zeitig) 2. Noninvasive indirekte semipermanente Repositions-Onlays/-Veneers aus Kunststoff, später ersetzt durch definitive (Keramik-) Restaurationen (2-zeitig) 3. Noninvasive indirekte permanente Repo- sitions-Onlays/-Veneers in Lithiumdisilikat- keramik (1-zeitig) 4. Minimalinvasive indirekte permanente Repositions-Onlays/-Veneers in Lithium- disilikatkeramik (1-zeitig) Der folgende klinische Fallbericht demons- triert eine semipermanente Bisshebung durch temporären Aufbau der Kauflächen im Seitenzahnbereich mit Komposit in einem vereinfachten direkten Spritzgussverfahren als Vorbereitungsmaßnahme für nachfol- gende laborgefertigte Restaurationen. Klinischer Fall Ausgangssituation: Eine 68-jährige Patientin erschien in unserer Sprechstunde zur Erstuntersuchung mit dem Wunsch nach einer ästhetischen Versorgung ihrer Unterkieferfrontzähne mit Veneers. Die Patientin war in der Vergangenheit alio loco im Oberkiefer mit einer verschraubten Brückenkonstruktion auf sieben Implantaten und im Unterkieferseitenzahnbereich im Be- reich der Zähne 34–37, 44 und 46 ebenfalls mit implantatgetragenen Restaurationen ver- sorgt worden. Natürliche Zähne existierten nur noch im Frontzahnbereich (33–43) und im Bereich des zweiten Prämolaren auf der rechten Unterkieferseite (Abbildung 1). Die Patientin wies deutliche Zeichen von Attrition und Abrasion an den Unterkieferfrontzähnen (Abbildung 2) und ein Defizit in der vertika- len Distanz der Okklusion auf (Abbildung 3). Im Unterkieferfrontzahnsegment war eine kompensatorische Eruption des Kieferkamms in Richtung Okklusionsebene eingetreten, die verbreiterte keratinisierte Gingiva gibt da- rauf einen deutlichen Hinweis (Abbildung 4) [Cekic-Nagas & Ergun, 2015; Manfredini & Poggio, 2016; Bartlett & Smith, 2000; Berry & Poole, 1976]. Dies ist für die Planung von Rekonstruktionen ungünstig, da somit in den meisten Fällen zu wenig okklusaler Platz vor- 76 Zahnmedizin

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