Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 04
zm 108, Nr. 4, 16.2.2018, (233) Sattelstühle – „Unser Ziel war der Vergleich zwischen Sattelstuhl und Reitersattel!“ Reaktion auf verschiedene Leserbriefe zum Titel „Zahnärztliche Ergonomie – Taugt der Sattel in der Praxis?“, zm 21/2017, S. 24–36. Nach unserer Titelstory über Sattelstühle schlugen die Wogen hoch: „Wir haben gegenteilige Erfahrungen gemacht!“, schreibt ein Leser, „Nicht alle sind gleich und wirkungslos“, betont ein Hersteller (beide in zm 23-24/2017, S. 10). Hier äußern sich noch einmal die Autoren: „Ziel war die anatomisch-physiologische Analyse des Sitzens auf einem Sattelstuhl im Vergleich zum Sitzen auf einem Reitersattel.“ tung, bei der Entspannung und Bewegung möglich sein müssen. Anstatt in diesem Sinne konse- quent einen präventiven Ansatz zu wählen, wird therapiert. Prof. Jerome Rotgans arbeitet in seinem Beitrag „Ergonomisch arbeiten – Richtig sitzen” in der zm-Ausgabe 14/2017, S. 74–78, als es um die Kriterien für die Wahl eines Arbeitsstuhls geht, deutlich heraus, dass eine gesunde Arbeitshaltung tatsächlich mög- lich ist. Herr van Dijk von Hager & Wer- ken dürfte nicht der falschen An- nahme unterliegen, dass wir die Literatur über Bambach-Sattel- stühle nicht verinnerlicht haben. Wir haben in unserem Beitrag bewusst vermieden, Namen von Sattelstühlen und deren Her- steller zu nennen. Ziel war die anatomisch-physiologische Ana- lyse des Sitzens auf einem Sattel- stuhl im Vergleich zum Sitzen auf einem Reitersattel. Dennoch, betrachten wir den Bambach-Sattelstuhl, dessen Wöl- bung als besonderes Merkmal hervorgehoben wird: Dieses Merk- mal als besonders vorteilhaft zu betrachten, ist schwer nachvoll- ziehbar, denn kein Po ist gleich, die Sattelwölbung allerdings eine feste Tatsache. Die „patentierte Neigungseinstellung“ führt dazu, dass, wenn der Neigungswinkel verstellt wird, das Becken sich im gleichen Ausmaß neigt, was zur Immobilisierung (Fixierung) der unteren Rückenpartie führt. Der Bambach-Sattelstuhl ist so breit, dass die Hüftgelenke in deren anatomisch-physiologische „End- position“ gezwungen werden, was ebenfalls zur Fixierung des unteren Rückenabschnitts führt. Wie diese Blockade sich anfühlt, können unsere Leser gerne erleben: Sie stellen sich mit geraden Beinen aufrecht hin und werden aufgefordert, Ihr Becken so weit es geht, vor und zurück zu kippen … um dann im nächsten Schritt dieselbe Übung mit 45-Grad-Spreizung der Beine auszuführen. Bei zu- nehmender Spreizung wird die Vor- und Rückwärtskippung des Beckens zunehmend schwieriger, bei 90° praktisch unmöglich. Das heißt, umso breiter der Sattel, desto schädlicher die Sitzweise. Wurde in diesem Zusammen- hang je über die Entstehung muskuloskelettaler Folgeschäden gesprochen? Es liegt im Verant- wortungsbereich des Herstellers, darauf einzugehen. Last, but not least wirft sich mit Blick auf das für den Bam- bach-Sattelstuhl angebotene lederne Polster die Frage auf, ob ein Stuhl mit solch einem Polster im Praxiszimmer aus hygienischer Sicht und mit Blick auf die Durchführung von Desinfektionsmaßnahmen noch zu verantworten ist. Manche Fachleute behaupten, dass man Leder desinfizieren kann. Ergeb- nisse von unabhängig durch- geführten wissenschaftlichen Untersuchungen sind uns aller- dings nicht bekannt. Es ist verständlich, dass Herr van Dijk sein Produkt in Schutz nimmt. Ziel muss es aber immer sein, die Gesundheit des Zahnarztes und seines Teams im Blick zu haben. drs. Paul Engels/Santpoort-NL stellvertretend für das Autoren- team Als erstes danken wir dem Kollegen Dr. Bert Wagner für seinen Kommentar. Er gehört für uns zu den respektabelsten Pionieren der zahnärztlichen Er- gonomie in Deutschland – das von uns als Wiege der zahnärzt- lichen Ergonomie betrachtet wird – und innerhalb der Europe- an Society of Dental Ergonomics (ESDE). Aber, wo vorher Platz für persönliche Überzeugungen, Praxisbeispiele und Beobachtun- gen von Einzelpersonen (N= 1) war, hat sich das Bild in den ver- gangenen 20 Jahren eindeutig in Richtung evidenzbasiertes Wissen verschoben. Von großer Bedeutung ist hier die 2000 verabschiedete und 2015 unverändert bestätigte ISO Norm 11226 „Evaluierung von statischen Körperhaltungen bei der Arbeit“, an der man nicht vorbeikommt. Sie bildete deshalb 2006 einen Ausgangspunkt bei der Erstel- lung des Dokuments „Ergono- mic requirements for dental equipment – Guidelines and recommendations for designing, constructing and selecting den- tal equipment“ (http://esde.org/ documents.html). Seitdem beob- achtet man langsam, aber sicher, dass besser dokumentierte Be- richte über die zahnärztliche Ergonomie publiziert werden. Die Zeit bleibt glücklicherweise nicht stehen. In Anlehnung an die international akzeptierte Definition von Dr. Jan Dul, Professor für „Technology and human factors“ an der Rot- terdam School of Management, Erasmus Universität, „das Fach- gebiet der Ergonomie beschäftigt sich mit der Interaktion zwischen dem Menschen und der von ihm gestalteten technischen und organisatorischen Umgebung. Dabei ist die Produktergonomie bestrebt, gebrauchsfreundliche Produkte zu entwickeln und menschenfreundliche (Produk- tions-)Prozesse zu entwerfen“, müssen wir feststellen, dass Kollege Dr. Klaus Schneider die Begrifflichkeiten leider umkehrt: Er und sein Team sind bemüht, sich so gut wie nur möglich dem Sattelstuhl anzupassen. Da langes (fixiertes) Sitzen sehr ungesund und somit schädlich ist, ist sein Trainingsprogramm die absolute Herausforderung, um die erlittenen Schäden auszu- gleichen und in Topkondition zu bleiben. Dem hingegen erfordert die zahnärztliche Tätigkeit eine aktive und stabile Arbeitshal- Quelle: zm 8 Leserforum
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