Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05

zm 108, Nr. 5, 1.3.2018, (380) „Die Ansprache sollte im Gesichtsfeld, also von vorne und eher von unten erfolgen“, rät Ludwig, Referent für Alterszahnheilkunde bei der Landeszahnärztekammer Baden-Würt- temberg. Ein freundlicher Gesichtsausdruck und die Untermalung des Gesagten mit Gesten seien ebenfalls wichtig, genauso wie klare kurze Sätze in eher tiefer Stimmlage mit einem reduzierten Sprechtempo. „Viel Lob sowie die wiederkehrende Namens- nennung runden die Kommunikation ab.“ Vermeiden sollte man dagegen ablenkende Hintergrundgeräusche und – vor allem – „Warum“-Fragen. „Demenziell erkrankte Patienten können diese in den meisten Fäl- len nicht beantworten“, weiß der Experte. Dadurch könnten nur unnötige Konflikte provoziert werden. Er empfiehlt, dem Patienten Anleitungen zu geben: „Kurze begleitende Kommentierun- gen sind hilfreich, um Missverständnissen vorzubeugen. Sie können zum Beispiel beim Ausspülen den Becher unterstützend mit- führen und die Handlung begleitend kom- mentieren: ‚Nehmen Sie bitte den Becher‘, ‚Nehmen Sie bitte einen kleinen Schluck in den Mund‘, ‚Spülen Sie bitte aus‘, ‚Stellen Sie bitte den Becher wieder hin‘.“ Kommunikation gelingt anders ... Ohne den Einsatz solcher Techniken bliebe Kommunikation mit demenziell erkrankten Patienten oft erfolglos. „Dabei gilt es, die Menschen in ihrer Lebenswelt mit den gerade vorherrschenden Gefühlen und Motiven zu akzeptieren und wertzuschätzen“, betont Ludwig. „Sie müssen auf ihrer Ebene ange- sprochen werden“ – und zwar „mit allen Sinnen“. Biografisches Wissen zum erlernten Beruf oder zur Familie könne für die Kom- munikation hilfreich sein, um die Patienten in ihrer Welt abzuholen, empfiehlt Ludwig. „Vielen demenziell erkrankten Menschen geben bestimmte Dinge – wie Handtaschen oder Kuscheltiere – oder bestimmte Personen – wie Angehörige oder Pflegekräfte – eine besondere Sicherheit. Diese sollten dann bei der Behandlung möglichst dabei sein.“ Ein weiterer Punkt ist, dass demenziell er- krankte Menschen meist multimorbide sind. „Vor allem bei invasiven Eingriffen ist daher ein Blick auf die Medikamentenliste uner- lässlich“, führt Ludwig aus. Gemeinsam mit weiteren Vertretern der Deutschen Gesell- schaft für Alterszahnmedizin hat er einen spezifischen Anamnesebogen für Senioren entwickelt. Erfasst werden darin neben den Allgemeinerkrankungen und der Mund- gesundheit des Patienten auch die Namen von Betreuern, Pflegern und Angehörigen sowie Angaben zur Biografie. ... vielleicht sogar nur mit Kuscheltier Für die Behandlungsplanung sollte zudem nachgefragt werden, wann am Tag der Patient am zugänglichsten und kooperativsten ist. „Ist die Behandlung in der Praxis geplant, sollte diese an einem Tag erfolgen, an dem viele Patienten zur Kontrolle kommen“, rät Ludwig. „Dann ist es nicht so schlimm, wenn ein Patient doch nicht erscheinen kann, auf- grund des Transports vielleicht erst später in die Praxis kommt oder an dem geplanten Tag die Behandlung frühzeitig wieder abge- brochen werden muss. Die Praxis ist in jedem Fall ausgelastet, der Patient hat immer wie- der kurze Pausen und am Ende schafft man mehr, als man vorher zu hoffen gewagt hat.“ Sollte ein Patient während der Behandlung „nach Hause“ wollen oder den Wunsch äußern, dass die Behandlung nun aufhören möge, aber ein Abbruch zu diesem Zeit- punkt ungünstig ist, könne es helfen, die Be- handlung zu unterbrechen, gemeinsam ein paar Schritte in der Praxis zu gehen, wieder in das Behandlungszimmer zurückzukehren und dann die Behandlung fortzusetzen. nb Den Patienten wertschätzen – mit all seinen Gefühlen Demente Patienten funktionieren nicht wie der Standardpatient – vor allem weil die verbale Kommunikation mit ihnen in der Regel kaum noch möglich ist. Für den Behandlungserfolg entscheidend sind vielmehr ein überaus freundliches Gesicht, die heitere Stimme des Zahnarztes sowie ein verstärkter Körperkontakt. Dr. Elmar Ludwig gibt Tipps für den Umgang mit dementen Patienten in der Praxis. Foto: rollover - iStockphoto.com 28 Patientenautonomie versus Fürsorgepflicht

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