Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05

zm 108, Nr. 5, 1.3.2018, (355) 3 Editorial Eigentlich ist die Arztsuche im Internet ja sehr praktisch. Egal ob jameda, Sanego oder wie die Arztbewertungsportale auch heißen mögen. Der Gesundheits- oder ge- nauer Krankheitsdienstleistungen Suchende kann überregional nach Experten oder eben regional den gerade benötigten Arzt oder Zahnarzt finden. „Mundpropaganda“ braucht man nicht mehr, denn die „Emp- fehlungen“ finden sich praktischerweise als „Bewertungen“ von Patienten an den ausgeworfenen Adressen der infrage kom- menden „Dienstleister“. An dieser Stelle entzündet sich nun der Streit, denn die allen Suchenden zugänglich gemachten Bewertungen mutieren in der jetzt hergestellten Öffentlichkeit zu einer Qualitätsaussage über die jeweilige ärztliche und zahnärztliche Dienstleistung. Wer positive Bewertungen bekommen hat, kann sich freuen. Aber was macht derjenige, der schlecht bewertet wurde? Die dann beginnende zeit- und arbeitsaufwendige Auseinandersetzung mit dem Portalbetreiber zur Löschung unberechtigter oder gar fal- scher Bewertungen führt nicht selten vor Gericht. Für das Geschäftsmodell sind die Patientenbewertungen jedoch essenziell, denn für eine „reine“ Arzt- und Zahnarzt- suche würde ja eine Liste der Heilberufler samt deren Spezialisierungen reichen. Nun ist ein solches Portal keine Altruisten- veranstaltung, sondern braucht Umsatz und Gewinn. Das setzt zwei Dinge voraus: Die Anbieter der Dienstleistung müssen auf den Portalen stets aktuell und vollständig aufge- führt sein und die Eintragungen müssen monetarisieren. Mit lediglich besser recherchierbaren digitalen Adresslisten kann kaum Geld verdient werden. Wie kommt man also zu Umsatz? Indem man die (zwangs-)gelisteten Ärzte und Zahnärzte zu Werbe-Kunden macht und das Ganze zum Beispiel „Premiumeintrag“ nennt. Je mehr Patienten auf dem Portal suchen und je besser die Patientenbewertungen sind, umso schwerer wiegt das Argument des Portalbetreibers für die besonders gestalteten „Profile“. Und für deren spezielle, nennen wir es hervorgehobene Platzierung gegen- über den Kollegen, die diese Form der Werbung nicht bezahlen. Ob man Arztbewertungsportale als einen wesentlichen Beitrag für Transparenz und als eine der Voraussetzungen für eine „sinn- hafte“ freie Arztwahl sehen will, sei hier dahingestellt. Gerichtlich ist das Prinzip der vollständigen, was letztlich nichts anderes als Zwangslistung bedeutet, sowie die öffentliche(!) Bewertung ärztlicher und zahnärztlicher Leistungen durch den Patien- ten in diesen Portalen und demzufolge die Existenz dieser Internetangebote gesichert. Daran ändert auch die aktuelle Grundsatz- entscheidung des BGH nichts. Denn diese betraf, so meine Einschätzung, ausschließlich die Art und Weise, wie Werbung – also die Profile der bezahlenden Kollegen – aufgrund einer Suchanfrage bei den nicht bezahlen- den ausgespielt wird. Auf den Seiten 16–20 finden Sie das Urteil und erste Bewertungen. Mit Blick auf die erst in einigen Wochen vor- liegende schriftliche Urteilsbegründung sei vor voreiligen Schlüssen gewarnt. Denn die Bewertung des Urteils könnte unterschiedlicher nicht sein: Die Rechtsanwälte der Kölner Dermatologin sehen ein bahnbrechendes Urteil, das der Ärztin erlaubt, „die Zwangs- teilnahme an einer profitorientierten Werbe- plattform, bei der die Bewertungsfunktion nur dazu dient, sich möglichst alle Ärzte und Zahnärzte einzuverleiben“ zu beenden. Das beklagte Unternehmen lässt verlauten, dass „Patienten auf jameda auch weiterhin alle Niedergelassenen Deutschlands finden. Ärzte können sich nach wie vor nicht aus jameda löschen lassen.“ Und der von uns befragte Rechtsexperte spricht von einem Pyrrhus-Sieg. Eine persönliche Anmerkung: Nach wie vor irritiert mich die Bezeichnung Dienstleis- tung für zahn-/ärztliche Tätigkeiten zutiefst. Dienstleistung ist bestimmt durch Leistung und Preis und damit vergleichbar mit den Angeboten anderer Marktteilnehmer. Deshalb sind wir alle bei Vergleichbarkeit des Angebotes auf der Suche nach dem günstigsten Preis. Der Kern der Arzt-Patien- ten-Beziehung ist jedoch ein ganz anderer, ist im wesentlichen durch das Individuum, Vertrauen und Verantwortung bestimmt. Versuchen Sie als Heilkundiger dieses Set- ting mal in Worte zu fassen und eine Bewer- tung abzugeben, die von Dritten auch noch nachvollzogen werden kann, ohne dass Symptome, Diagnose und Therapie genannt werden. Auch Patienten haben da ihre Schwierigkeiten und deshalb müssen Freundlichkeit, Sauberkeit oder die Attrak- tivität des Wartezimmers als Surrogate herhalten. Sehen Sie es also positiv, wenn ihr Goldfisch beliebter ist … Foto: zm-Axentis.de jameda und der Goldfisch im Wartezimmer Dr. Uwe Axel Richter Chefredakteur

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