Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05
zm 108, Nr. 5, 1.3.2018, (392) gen konnte. Die Werkstoffprüfung hatte einen kontinuierlichen Anteil zwischen 3,25 und 5 Prozent. Die MKG-Chirurgie – einschließlich der The- men Trauma und Frakturen – hatte einen hohen Anteil von bis zu 10 Prozent in den ersten zwei Jahrzehnten seit 1968. Dass da- nach nur noch ein Anteil von 0,5 Prozent in der Auswertung zu verzeichnen ist, kann auch daran liegen, dass die Autoren ihre Ergebnisse zwar in der Deutschen Zahnärzt- lichen Zeitschrift publiziert, aber nicht auf den Jahrestagungen der AfG in derselben Frequenz präsentiert haben. Die Kiefer- orthopädie ist mit einem Anteil von 2 bis 3 Prozent recht kontinuierlich über die fünf Jahrzehnte vertreten. Die Kurve zum Verlauf der Anteile an der Implantologie zeigt inte- ressanterweise ein Tal von 1 Prozent in der Zeit zwischen 1988 bis 2007, mit einem Maximum von 4 Prozent davor und 3,25 Prozent danach und heute noch. Zugenom- men über die vergangenen fünf Jahrzehnte haben die Forschungen zur Endodontologie, die einen Zuwachs von 0,75 auf 3 Prozent von 1968 bis heute zeigen. Sehr gut im modernen Trend liegt die Bio- kompatibilitätsforschung mit einem aktuellen Anteil von 2,75 Prozent. Die Voraussetzungen hierzu wurden durch die Zellkulturtechniken geschaffen, die von anfangs 0,1 Prozent auf bis heute 5 Prozent zugenommen haben. Damit hängt die Forschung zur Stammzell- und Regenerationsforschung zusammen, die von 0 Prozent seit 1987 auf aktuell 6,5 Pro- zent wuchs. Einen ähnlich ansteigenden Trend haben auch die Themen „Genexpression“ und „Signaling“ zu verzeichnen: 0 Prozent bis 1987 und dann ein steiler Anstieg bis zu einem Plateau von 8,75 Prozent. Davon pro- fitierte unter anderem die Knochenforschung, zu der auch alles rund um die Knochen- ersatzmaterialen gezählt wurde – der Anteil liegt heute bei 4,25 Prozent. Aktuell rückt die Innere Medizin im Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in den Fokus: Seit 2008 hält sie mit 4,5 Prozent einen be- trächtlichen und wichtigen Anteil an der Grundlagenforschung. Auch strukturbiolo- gische Grundlagenforschung, dazu zählen die „Morphologie“ und „Morphogenese“, haben sich von 3,25 Prozent zu Beginn bis 2007 auf 8,75 Prozent mehr als verdoppelt. Heute beträgt der Anteil noch 6 Prozent. Ausblick: Gefördert wird nicht mehr die Neugier Ein Zahn aus der Retorte, der aus Stamm- zellen heranwächst, konnte auch auf der 50. Tagung der AfG noch nicht präsentiert werden. Dennoch zeigen sich spannende Entwicklungen – die Anzahl der Vorträge und Posterbeiträge hat sich gegenüber den Vorjahren fast verdreifacht. Die Einblicke in das Kommunikationsverhalten der Zellen werden deutlicher und der Weg hin zu einer molekularen Medizin wird am Horizont er- kennbar. Bis dorthin sind aber noch intensive Bemühungen sowohl auf makroskopischer wie auf mikroskopischer, zellulärer und mo- lekularer Größenordnung notwendig. Die Medizin alleine kann dies nicht leisten, der Dialog mit den Disziplinen der Grund- lagenforschung ist hierzu zwingend nötig. Aus diesem Grund wurde die AfG vor 50 Jahren gegründet: Sie ist ein Forum für Naturwissenschaftler und Zahnmediziner. Es gibt noch viel zu tun und für eine frucht- bare Forschung müssen mehrere Bedingun- gen erfüllt sein: Zuvorderst muss die Neu- gier als intrinsisches Motiv für den Wissen- schaftler und als Antriebskraft der Forschung erhalten bleiben. Bei der heute steigenden Komplexität der Fragestellungen muss die Möglichkeit zur Kooperation über Fakultäten und Standorte hinweg gefördert werden. Auch die Finanzmittel müssen der wachsen- den Komplexität in der Forschung ange- passt werden. Und es müssen vor allem zeit- liche und gedankliche Freiräume beibehalten werden, in denen Ideen reifen können. Der gegenwärtige hochschulpolitische Trend steht dem bedrohlich gegenüber: Gefördert wird nicht die Neugier, sondern es wird eine friktionsarme, schnelle Publikation in „impact“-gerankten Publikationsorganen als „Leistung“ und Qualitätskriterium für Forschungsbemühungen belohnt. Oft orien- tieren sich die Stellenvergaben daran. Die Etats für Forschung sind dramatisch gesun- ken, stellenweise gibt es nicht einmal mehr eine sinnvolle Grundausstattung. Einige Standorte stellen die Erzielung von „Erlösen“ aus der Patientenversorgung über die Finan- zierung von Forschungsprojekten. Den not- wendigen Kooperationen zwischen ver- schiedenen Universitäten steht der Wunsch nach „Rankings“ gegenüber, die ja nur in „Konkurrenz“ anstelle von Kooperationen möglich sind. Und schließlich bleibt für das Lesen, Nachdenken und Diskutieren immer weniger Zeit, weil die Ökonomen, die an der Universität die Herrschaft übernommen haben, das nicht quantifizieren können. Es ist Aufgabe der Wissenschaftler an Univer- sitätskliniken, an denen geforscht, geheilt und gelehrt wird, dies zu fordern und zu erhalten. Angesprochen ist da auch die Bildungs- und Wissenschaftspolitik im Bund und in den Ländern. Viel ist in diesen politisch bewegten Tagen von Innovations- und Forschungsförderung die Rede – zu hoffen bleibt, dass davon tatsächlich etwas in der Wissenschaft ankommt. Prof. Dr. Dr. Ralf J. Radlanski 1. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Grundlagenforschung (AfG) Universitätsmedizin Berlin, Orale Struktur- und Entwicklungsbiologie, Charité Assmannshauser Str. 4–6, 14197 Berlin ralfj.radlanski@charite.de Der Vorstand vor dem speziell für die 50. Jubiläumstagung gestalteten Poster (v.l.n.r.): Prof. Dr. Michael Wolf (2. Vor- sitzender), Prof. Dr. Dr. Ralf J. Radlanski (1. Vorsitzender), PD Dr. Christian Kirschneck (Schrift- führer) Foto: Radlanski 40 Zahnmedizin
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=