Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 05
zm 108, Nr. 5, 1.3.2018, (400) text wurde er vor allem für seine Pionier- arbeiten zur aseptischen Nekrose gewürdigt [Axhausen, 1911 und 1912]. So heißt es etwa im Online-Lexikon „Who named it“ [Whonamedit, 2017]: Axhausen „is noted as the first to use the word aseptic necrosis. [...] In an article he published in 1910, Ax- hausen wrote that necrosis occurred at the bone-ends of every fracture, and that this stimulated and was replaced by periosteal proliferation“. Auch Mostofi [2005] nimmt in seinem internationalen Lexikon „Who’s Who in Orthopedics“ auf diese Studien Bezug. Dank Axhausen etablierte sich der Terminus „aseptic necrosis“ („aseptische Nekrose“) als Bezeichnung für Nekrosen von Knochen, die in Abwesenheit einer Infektion (insofern „aseptisch“) aufgrund einer Minderversor- gung mit Blut entstehen. Erst um die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der betreffende Begriff sukzessive durch den Terminus „avaskuläre Nekrose“ abgelöst. Besondere Beachtung fanden auch Axhausens (mit der Nekroseforschung eng verbundene) Schriften zur Ätiologie der „Arthritis defor- mans“ [Axhausen, 1911, 1912 und 1954]. Im deutschsprachigen Raum gilt Axhausen zudem als Schrittmacher des jungen, aufstre- benden Faches Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie. Schon früh vertrat Axhausen die Ansicht, dass optimale kieferchirurgische Leistungen nur auf der Basis einer spezialisierten Ausbildung erreicht werden können; dabei hielt er ein abgeschlossenes Studium der Zahnheilkunde für wesentlicher bzw. unverzichtbarer als das Studium der Humanmedizin [Bauer, 1967]. Auch operativ setzte er neue Standards: Vor allem seine Arbeiten auf dem Gebiet der (fazialen) Kriegschirurgie [Axhausen, 1941a], der Spaltchirurgie und der Dysgnathie-Ope- rationen weisen ihn als einen der führenden Kieferchirurgen seiner Zeit aus. Zu den bekanntesten der von ihm entwickelten Operationsmethoden gehört die „Knochen- vorpflanzung nach Axhausen“, mit der Knochentransplantationen im Kieferbereich maßgeblich erleichtert wurden [Axhausen, 1928], sowie die Brückenlappenplastik zum Verschluss von Gaumenspalten, die eine rasch etablierte Modifikation der oftmals un- befriedigenden Uranoplastik von Bernhard von Langenbeck darstellte [Axhausen, 1941b]. Bemerkenswert sind des Weiteren Axhausens Beiträge zur Modifikation der Le-Fort-I- Osteotomie, zur Ätiologie und Therapie der pyogenen odontogenen und spezifischen Infektion, der Kiefergeschwülste und der Kiefergelenkserkrankungen [Bauer, 1967]. Axhausen hinterließ rund 300 Veröffent- lichungen. Er galt nicht nur als bedeutender Operateur und Wissenschaftler, sondern zudem als begabter Hochschullehrer, Lehr- buchautor [Axhausen, 1940] und Rhetoriker [Bauer, 1967]. Seine Rolle im „Dritten Reich“ ist nicht frei von Ambivalenzen: Zunächst schien er sich dem NS-Regime bereitwillig anzudienen. So gehörte er nach Hitlers Machtübernahme 1933 zu den 37 Mitunterzeichnern der „Ein- heitsfront“ der zahnärztlichen Dozenten- schaft, die sich dazu bekannte, dass „die großen Aufgaben [...], die auch die deutsche Zahnärzteschaft im neuen Reich zu erfüllen habe“, „nur in engster Zusammenarbeit, unter völliger Anerkennung einer einheitlichen Führung und des Autoritätsprinzips“ zu lösen seien [Einheitsfront, 1933]. Axhausen wurde auch die Ehre zuteil, im Oktober 1934 als erster Tagungspräsident der (zwischenzeitlich widerstandslos gleichgeschalteten) DGZMK das wissenschaftliche Jahressymposion in Ber- lin zu leiten, auf dem zugleich das 75-jährige Jubiläum der DGZMK-Vorgängerinstitution, des „Central-Vereins deutscher Zahnärzte“, begangen wurde [Groß/Schäfer, 2009]. Auch die Tatsache, dass Axhausen 1937 mit der Großen Medaille der DGZMK ausgezeichnet wurde, verstärkt den Eindruck, dass Axhausen sich im Einklang mit dem politischen Regime befand [Groß/Schäfer, 2009]. Doch tatsächlich geriet Axhausen mit den Jahren in zunehmende Distanz zu den Macht- habern des NS-Staates: So sprach er sich 1938 und 1939 entschieden gegen eine Zwangs- sterilisation von Trägern einer Lippen-, Kiefer- beziehungsweise Gaumenspalte nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nach- wuchses“ aus. Er stellte sich damit schützend vor seine Patienten, verwies auf die Mög- lichkeiten und Erfolge operativer Therapien und begab sich in einen direkten fachlichen Gegensatz zu seinem Kollegen Martin Waß- mund (1892–1956), der offen für Zwangs- sterilisationen der betroffenen Patienten ein- trat [Thieme, 2012]. Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, dass Axhausen 1939, wie erwähnt, unter Verweis auf seinen Gesundheitszustand die vorzeitige Emeritie- rung beantragte. Zu den Hintergründen des Rückzugs finden sich allerdings nur Angaben aus zweiter Hand: So führte Axhausens frü- herer Mitarbeiter Heinrich Hammer 1952 im Rahmen einer Laudatio aus, Axhausen habe 1939 seine Position aufgeben müssen, weil „er infolge seiner politischen Zurückhaltung den damaligen Machthabern nicht genehm“ gewesen sei [Hammer, 1952]. Bereits 1948 hatte Hammer darauf hingewiesen, dass man Axhausen für politisch nicht mehr tragbar gehalten habe: „Als ihn die Medizinische Fakultät der Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin 1939 zum Dekan vorschlug, wurde dieser Vorschlag von der Regierung aus poli- tischen Gründen verworfen; ähnlich war es mit dem ‚Dr. med. dent. honoris causa’, wo- für ihn alle Professoren der Medizinischen Fakultät anlässlich seines 60. Geburtstags 1937 vorgeschlagen hatten“ [Hammer, 1948]. Nach 1945 gereichte Axhausen ebendiese politische Distanz zum Vorteil, gehörte er doch zu den ersten zahnärztlichen Ordinarien, die an ihre frühere Hochschulkarriere anknüpfen und aufgrund „politischer Unbedenklichkeit“ auf einen Lehrstuhl zurückkehren konnten. Univ.-Prof. Dr. mult. Dominik Groß Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Medizinische Fakultät RWTH Aachen University, MTI II Wendlingweg 2, 52074 Aachen dgross@ukaachen.de Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 48 Gesellschaft
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