Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 108, Nr. 6, 16.3.2018, (524) Gelegentlich erscheint die Läsion bläulich, wobei die Variation in der Farbe von der Größe der Läsion, von ihrer Nähe zur Schleimhautoberfläche und von der Elasti- zität des darüber liegenden Gewebes ab- hängt. In vielen Fällen besteht eine klinische Assoziation mit einem Trauma eines sekreto- rischen Drüsenganges (zum Beispiel durch Beißen der Lippen, der Wange oder der Zunge) [Baurmash, 2003]. Die hohe Rate von Fällen, die die Unterlippe betreffen, kann dementsprechend der hohen Inzidenz von mechanischen Traumata in diesem Be- reich zugeschrieben werden. Die Zunahme der Zahnlosigkeitsraten nach dem vierten Lebensjahrzehnt könnte den Rückgang der Mukozelenfälle in der Unterlippe im Laufe der Zeit erklären [Bodner et al., 2015]. Klassischerweise handelt es sich bei der enoralen Mukozele um eine schmerzlose, oft rezidivierende Schwellung, die bereits seit Monaten bis Jahren vor der Behandlung des Patienten vorhanden sein kann [Baurmash, 2003]. Obwohl Mukozelen in jedem Alter auftreten können, sind Kinder und junge Erwachsene am häufigsten betroffen. Histologisch existieren zwei Haupttypen der Mukozelen. Die Majorität besteht aus Extravasationszysten ohne epitheliale, aber mit granulomatöser, pseudokapsulärer Aus- kleidung, bei denen nach einem Trauma Speichel aus dem beschädigten Kanal ins angrenzende Bindegewebe ausgetreten ist. Die andere, bei Erwachsenen seltener, bei Kindern so gut wie gar nicht vorkommende Variante ist die Retentionszyste, bei der es aufgrund einer Obstruktion des Kanals ohne Ruptur zur Bildung der mit duktalem Epithel ausgekleideten Zyste kommt. Extra- vasationsmukozelen kommen, wie im vor- beschriebenen Fall, am häufigsten in der Unterlippe vor [Granholm et al., 2009], während sich Retentionsmukozelen eher in der Wange und am Gaumen finden [Sela und Ulmansky, 1969]. Eine Sonderform ist die Ranula des Mund- bodens, die meist lateral der Mittellinie im Mundboden, oberhalb des M. myelohyoideus liegt [Cavalcante et al., 2009]. Bei Über- schreitung der Mittellinie präsentiert sich die Ranula oft zweigeteilt durch das Zungen- frenulum. Durchdringt sie die Mundboden- muskultur (cervicale Ranula; Synonym: plunging Ranula) erscheint sie häufig als schmerzlose, submentale Schwellung. Die Ranula entsteht in den meisten Fällen aus dem Ausführungsgang der Glandula sublin- gualis. Seltener geht sie von der Glandula submandibularis aus. Die Glandula sublin- gualis ist im Gegenteil zur Glandula sub- mandibularis eine spontan sezernierende Drüse, die trotz Obstruktion weitersezer- niert. Auf diese Weise kann eine Gangruptur zur Füllung eines nichtpräformierten Raumes mit mukösem Speichel führen [Bolm et al., 2011]. Die Therapie der Mukozele, und zwar aller Formen, ist die Exzision bis auf den darunter liegenden Muskel; sei es – wie im beschrie- benen Fall – unter Lokalanästhesie oder in einer kurzen Vollnarkose [Han et al., 2012]. Alternativ wurde in der Literatur, insbeson- dere bei größeren Mukozelen und bei Gefährdung benachbarter Strukturen, über Marsupialisationen, kryochirurgische Entfer- nungen oder die Injektion von Kortikosteroi- den berichtet. Generell ist die Rezidivrate gering, wobei bei einer nur teilweisen Ent- fernung des Gewebes oder bei erneuten mechanischen Traumata ein Wiederauftreten der Mukozelen nicht selten ist. Differenzial- diagnostisch zur Mukozele der Unterlippe sollten beispielsweise Fibrome, Lipome, Sialolithen, Phlebolithen und Neoplasmen bedacht werden, wobei die klinische Diagnose meist pathognomonisch ist. PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, M.A., FEBOMFS Leitender Oberarzt und Stell- vertretender Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für MKG- Chirurgie Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2 55131 Mainz peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de Für eine erfolgreich ge- löste Fortbildung erhal- ten Sie 2 CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. Die Mukozele CME AUF ZM - ONLINE Bei der Diagnose der oralen Mukozele kann man sich – neben der rein klinischen Befundung – vor allem der Sonografie bedienen, um die Tiefenausdehnung be- urteilen zu können. Aufgrund der gefährdeten Nachbar- strukturen sollte schonend operativ vor- gegangen werden. Bei der Ranula ist aufgrund der Rezidiv- häufigkeit bei der Zystektomie und der Marsupialisation die Entfernung der Glan- dula sublingualis Therapie der Wahl. Trotz eindeutiger Klinik ist die differen- zialdiagnostisch ein malignes Wachstum in die Überlegungen einzubeziehen. Fazit für die Praxis Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Abbildung 2: Klinischer Situs: Entwicklung der kugelig-zystischen Raumforderung aus der rechten Unterlippe Abbildung 3: Präparat nach Entnahme Foto: privat 20 Zahnmedizin

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