Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

Ist es zulässig, wenn Patienten keinen persönlichen Kontakt zu dem Be- handler der Aligner-Therapie haben? Carsten Wiedey: Einerseits unterscheiden sich die Angebote der derzeitigen Start-ups erheblich, andererseits bestehen gewisse Diskrepanzen zwischen der Beschreibung der Angebote auf den Homepages und den Er- läuterungen der Geschäftsführer. Daher kann man nur allgemein zwischen Therapien ohne zahnärztliche Beteiligung , mit einer zumin- dest partiellen zahnä r zt li chen B eg leitung und unter vollständ i ge r therapeu tische r Hoheit eines Zahn a r z t es unterscheiden. Therapie n oh ne zahnärz tli c he B eteili gung : Ausgan gs p unk t für die Frage der Zulä ssig keit neue r Ve rsor g u ngsformen zur Alig ne rthe ra pi e ist z u nä ch st das Z ah nh eilk un de ge setz (ZH K): § 1 Abs. 3 definiert, wa s unter „A usübung de r Z a hnheilkund e“ z u v e rstehe n ist. Hier- be i w i rd nic ht n ur allgemein a uf „di e berufs - mäßige Fes ts tellun g und Beha ndlung v on Zahn-, Mund- und Kieferkra nkheiten “ abge- stel lt, sondern expressi s ve rb is defin iert, dass u n te r de n Begriff de r er fa ssten „K ra nk he it “ auch „jede v on d er N orm abweic he nd e Er- scheinung […] ei ns ch ließlich d er A no mali en der Za hnstellu ng“ fä ll t. Wer de n no rm ab- weic he nde Fe hlst l e lungen ohn e Be teiligung eine s Z ahnarztes durch ge führ t, ist das si- ch er li ch e in Ver stoß g egen d as ZHK. Da mit wäre so ein Verh alten au ch nach § 18 ZHG als un zuläss ig e Au sü bu ng der Zahnheil- kunde st rafbar . Zude m li egt in § 1 Z HG e in e „Markt ve rh a l tensregelung “ im Sinne des § 3a d es G es etze s ge gen de n unla ut er en Wettbe w e rb ( UWG), so das s auch zivilrecht- lich e Un te rlas su ng sa ns pr üche in Betracht kommen . Geht es da gege n um M aßnahmen, die eine Zahnstellung „ be ha ndeln“ und ver än de rn sollen, die nicht von de r No rm a bweicht bzw. keine Anomalie darstellt, k ön nt e ein solche Tätigkeit z wa r vom A p pr b o ationsvor- behalt des ZHG ausgenommen sein, fraglich ist jedo ch , w ie sinnhaft sie dann ist. Schon die Dr eh ung eines Zahns um nur 1 mm e r fo r dert einen knöchernen Umbau und überschreitet damit sicherlich die Grenze der erlaubnisfreien Behandlung. Überdies dürfte dem Patienten ohne per- sönlichen Arztkontakt unklar bleiben, ob bei ihm eine dem Arztvorbehalt unterliegende Zahnfehlstellung oder eine allenfalls margi- nale Anomalie besteht. Hieraus resultieren erhebliche Probleme der Patientenaufklärung und es bleibt unklar, über welche zahnärztliche Qualifikation der jeweilige Entscheidungs- träger des Schienenlieferanten verfügen soll. Eine Abgrenzung kann konsequenterweise nur durch einen Zahnmediziner erfolgen, da einem Nicht-Zahnmediziner die Qualifikation fehlen dürfte. Therapien mit partieller zahnärztlicher Be gleitung: Wenn e in Zahnarzt das Behandlungskonzept allein auf Basis eines vom Patienten selbst anfe r tig t en Ab drucks erstellt und seine Tätig k eit hie rauf beschränkt, ist zwar nicht von einer unzu läss ig en Ausübung der Zahn- he il ku nde au sz u g eh en , al le rdings stellt sich di e Fr age der Ei nh altu ng g ülti ge r Behand- lung ssta nd ard s. Dies bet ri ff t vor al lem die ordn un gsge mä ße Ana mn ese- u nd B ef un d- er he bu ng, di e Du rc hführung von Vorbe - re itun gs ma ßnahme n sowi e Verlaufs- un d Na ch kont rollen. Erwa rt bar ist, das s ein Gut- acht er i m Scha de ns fall (Versch lechteru ng der Za hnfehlstel lung, Hervor rufen eine r neuen/ weitere n Zahnf eh ls tell ung, E ntzün- du ngen, En tkalkungen , Karies e tc .) i nfolge eine r nicht zahnärztlich ü berw ac hten Sc hienentherapie zu d em Ergebnis ko mm t, dass e ine ordn un gs g em äß e Th er ap ie die vollständi ge B ef un de rheb un g insb e sondere der Zahnstel lu ng en , wie au ch der Relation der Ki ef er z uein ander u nd des etwaigen Vorliegens v on P rob lemkonstellationen, das St elle n der I ndikation, die Planung und die V erlaufskontrolle durch einen Zahnarzt er- fordert. Damit dürfte das entsprechende Unterlassen des sich auf die Planu ng b e - schränkenden Zahnarztes ei ne S t a nd ard - unterschreitung darstell en u n d e in e Haf- tung für die Folgen de r fe hlge sc hlagen en Schienentherapie b eg r ünd e n . Wenn man sich weiter verdeutlicht, dass eine solche Standardunterschreitung planmäßig für eine Vielzahl von Behandlungsfällen sehenden Auges in Kauf genommen wird, liegt es nahe, darin eine Verletzung der Pflichten des Zahnarztes zur gewissenhaften Berufsausübung und Beachtung der Regeln der zahnmedizinischen Wissenschaft nach § 2 Abs. 2 lit. und der Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammerzu sehen. Allerdings ist das in § 9 des Heilmittelwerbe- gesetzes (HWG) aufgestellte Verbot der Fern- behandlung eine Marktverhaltensregelung und der Verstoß eine Ordnungswidrigkeit nach § 15 Abs. 1 Nr. 6 HWG, so dass Unter- lassungsansprüche durchgesetzt werden können, wenn für die Erkennung und Be- ha nd lung von Krankheiten geworben wird, die n i c ht auf eigener Wahrnehmung des Za h n a rztes an dem Patienten beruhen. Sc hl i eßlich ist bei Beginn einer Schienen- th erapie ohne Arzt-Patienten-Kontakt nicht denkbar, dass zuvor eine Aufklärung über die mit der Therapie verbundenen behand- lungsimmanenten Risiken im Wege eines persönlichen Gesprächs zwischen Arzt und Patient erfolgt ist. Demnach kann der Pa- tient eine entsprechende Einwilligung nicht wirksam erteilen, so dass bei Auftreten von Gesundheitsbeeinträchtigungen vo n straf- baren Körperverletzungen a uszuge hen ist. Damit kann man Zah närzten nur ab ra te n, an e in er kie fero rthopä di sche n Schienen - th er apie der ge st al t mi tz uwir ke n, das s nur Teilleistung en i n Kenntnis d es Unter la ss en s weiterer mediz i n isch notwend ig er L ei st un- gen e rbrac ht w erden. ? Die juristische Einschätzung „Das ist rechtlich sehr bedenklich!“ Rechtsanwalt Carsten Wiedey dizinrecht-aktuell.de Foto: Me 32 Aligner-Therapien aus dem Internet

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