Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 108, Nr. 6, 16.3.2018, (556) Eine 22-jährige Patientin stellte sich in unserer Schmerzambulanz zur weiteren Therapie vor. Sie beklagte eine reduzierte Mundöffnung, eine Druckdolenz im Bereich der Kaumuskulatur und ein „knisterndes“ Geräusch im Bereich des linken Kiefer- gelenkes. Bei der intraoralen Inspektion, die sich aufgrund der Mundöffnung als heraus- fordernd erwies (Abbildung 1), konnten weder hart- noch weichgewebliche Patho- logien festgestellt werden. Ein klinischer Hinweis auf eine mögliche Dentitio difficilis in regio 038, die die Patien- tin vermutet hatte, konnte nicht gefunden werden. Zur weiteren Diagnostik wurde ein Kopf-CT angefertigt, das eindrücklich die massiv eingeschränkte interokklusale Distanz im Molarenbereich demonstriert (Abbildung 2). Die leicht nach anterior geneigte Position der Patientin verdeutlicht zudem die ein- geschränkte körperliche Mobilität (Abbil- dung 3). Sie äußerte große Bedenken ob ihrer Mundöffnung, da die Nahrungs- aufnahme bereits sehr eingeschränkt und schmerzhaft sei. Die Patientin ist auf den Rollstuhl angewie- sen, den sie mit ihrer rechten Hand und ihrem Unterarm steuern kann. Die übrigen Extremitäten sind unbeweglich und in der jetzigen Position „fixiert“, der geistige Ent- wicklungszustand ist normgerecht. Allgemeinanamnestisch gab die Patientin an, an der seltenen Erkrankung „Fibrodysplasia ossificans progressiva“ zu leiden. Die Inten- tion dieses Beitrages ist es, dieses Krank- heitsbild vorzustellen und insbesondere auf zahnärztlich-chirurgische Besonderheiten einzugehen. Diagnostik und Klinik Gemäß Orphanet ist die Fibrodysplasia ossificans progressiva (OMIM #135100) eine „schwere, invalidisierende erbliche Er- krankung des Bindegewebes und gekenn- zeichnet durch angeborene Fehlbildungen der großen Zehen und progressive hetero- tope Ossifizierung mit qualitativ normalem Knochen an charakteristischen Stellen außerhalb des Skeletts“. Die Vererbung er- folgt autosomal dominant. Skelettanomalien gehen einher mit der fortschreitenden Ver- knöcherung der quergestreiften Muskulatur. Die Krankheit führt zu einer Lähmung der Arme, des Halses und der Beine sowie zur Einschränkung der Hüftbewegungen. Besonders schwerwiegend ist die mögliche Ausbildung einer Skoliose beziehungsweise eines Trismus – mit der Folge, dass eine regelrechte Nahrungsaufnahme per os nicht mehr möglich ist. Die Ursache der klassischen FOP ist eine wiederkehrende aktivierende Mutation (617G>A; R206H) im ACVR1/ALK2-Gen (2q24.1), das für den Activin-A-Rezeptor Typ I, ein „Bone Morphogenetic Protein“ (BMP)-Typ-I-Rezeptor, kodiert [Pignolo, Shore et al., 2011]. Bei einer Inzidenz dieser Erkrankung von 1:2 Millionen sind weltweit circa 600 Fälle bekannt. Demnach handelt es sich um eine äußerst seltene Entität. Die FOP kann sich bereits pränatal, aber auch erst im Erwach- Fibrodysplasia Ossificans Progressiva Trismus als Folgeerscheinung einer Erbkrankheit Korbinian Benz, Jochen Jackowski Weltweit gibt es nur 600 bekannte Fälle von Fibrodysplasia Ossificans Progressiva (FOP) – einer schweren erblichen Erkrankung des Bindegewebes. Wie sieht die zahnärztliche Behandlung solcher Patienten aus? Abbildung 1: Fixierte, reduzierte Schneidekantendistanz und Mineralisationsstörungen im Bereich der oberen Inzisivi. Fotos: Benz 52 Zahnmedizin

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