Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 108, Nr. 6, 16.3.2018, (558) Die Durchführung einer Lokalanästhesie ist nur als Infiltrations-, Intraligamentär- oder Intrapulpalanästhesie – und unter größter Vorsicht – durchzuführen. Leitungsanästhe- sien im Unterkiefer sind absolut kontra- indiziert, da diese zu einer Ossifikation der Pterygoid-Muskulatur und zu einer Ankylose des Kiefergelenkes führen [Webb and Wilson, 1996; Nussbaum, 2009]. Dies gilt sowohl für konservierende und prothetische Maß- nahmen als auch für einfache Extraktionen. Für ausgedehntere Eingriffe (zum Beispiel Entfernung der Weisheitszähne) sollte eine Überweisung in eine Fachklinik folgen. Die Durchführung in Intubationsnarkose stellt für diese Patienten einerseits ein weitgehend sicheres Verfahren, andererseits für die an der Therapie Beteiligten eine große Heraus- forderung dar [Kilmartin, Grunwald et al., 2014]. Auch hier ist aufgrund einer mög- lichen Überdehnung der kraniomandibulä- ren Strukturen größte Sorgfalt an den Tag zu legen. Sollte die Mundöffnung nicht aus- reichen, wird empfohlen, nicht erhaltungs- fähige Prämolaren oder Molaren zu entfernen, indem zuerst der bukkale Alveolarfortsatz abgetragen wird [Mori, Susami et al., 2011]. Die radiologische Diagnostik wird mit den üblichen Standardverfahren durchgeführt, sofern die Konzeptionierung des Aufnahme- gerätes den körperlichen Veränderungen bei diesen Patienten gerecht wird. Im vor- liegenden Fall war die Anfertigung einer Panoramaschichtaufnahme aufgrund der ausgeprägten motorischen Einschränkungen der Patientin nicht möglich. Aus dieser ein- geschränkten Mobilität ergab sich die recht- fertigende Indikation für eine CT-Unter- suchung, weil das Design des CT-Gerätes eine Aufnahme zum Ausschluss enossaler pathologischer Veränderungen zuließ. Die Versteifung der betroffenen Patienten kann allerdings auch dazu führen, dass nur von der Norm abweichende, unter Umständen gekrümmte Positionen eingenommen wer- den können. Die Frage nach dem Ausmaß der ossären Transformation von weich- geweblichen Strukturen mithilfe einer MRT- Untersuchung kann derzeit nicht beantwortet werden, weil auch in offenen Geräten eine Positionierung der Patientin nicht möglich ist. Oberarzt Dr. Korbinian Benz, MHBA Univ.-Prof. Dr. Jochen Jackowski Abteilung für Zahnärzt- liche Chirurgie und Poliklinische Ambulanz Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Fakultät für Gesundheit Universität Witten/Herdecke Alfred-Herrhausen-Str. 44 58455 Witten und CeSER – Zentrum für sel- tene Erkrankungen Ruhr Kompetenzzentrum der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Witten/Herdecke Alexandrinenstr. 5 44791 Bochum Abbildung 3: Multiplanare Reformatierung (MPR) des Kopf-CT (Übersicht lateral) Foto: Benz Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Patienten, die an einer Fibrodysplasia ossificans progressiva (FOP) leiden, können in der zahnärztlichen Praxis unter Einhaltung der beschriebenen Vorsichtsmaßnahmen versorgt werden. Trismus als eine Folge dieser Erkrankung erschwert sowohl die häusliche Mund- hygiene als auch die Inspektion des Kau- organs und im fortgeschrittenen Stadium die Ingestion. Eine lebenslange, regelmäßige und gründliche Präventionsstrategie spielt bei dieser Patientenklientel eine besonders große Rolle. Leitungsanästhesien im Unterkiefer sind wegen der Ausbildung einer Ossifikation der Pterygoid-Muskulatur und einer Ankylose der Kiefergelenke kontraindiziert. Bei Therapien im Unterkiefer, die eine Leitungsanästhesie erfordern, ist zur Ver- meidung von Ossifikationen und Ankylosen eine Behandlung unter Intubationsnarkose in Erwägung zu ziehen. Aktuelle Therapiestrategien und Verhal- ten bei zahnärztlichen Notfällen sind in den FOP-Treatment-Guidelines hinterlegt (www.ifopa.org ), die regelmäßig aktualisiert werden. Fazit für die Praxis Alle Foto: privat 54 Zahnmedizin

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