Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 06

zm 108, Nr. 6, 16.3.2018, (596) Diskussion Das Wurzelkanalsystem als Teil des Endodonts ist die kleinste Struktur in der Mundhöhle, die einer mechanischen und chemischen Therapie unterzogen wird. Mit dem Wissen, dass es sich bei Wurzelkanälen lediglich um Dimensionen im Mikrometerbereich handelt, ist der Einsatz optischer Hilfsmittel und zu- sätzlicher koaxialer Lichtzufuhr aus heutiger Erkenntnis nicht mehr verzichtbar [AAE Position Statement, 2012; Perrin et al., 2014]. Wird das Dentalmikroskop zur Dar- stellung der Wurzelkanäle genutzt, gelingt das Auffinden mit bereits deutlich größerem Erfolg [Wolcott et al., 2005; Arnold, 2007]. Bleiben Wurzelkanäle oder große Anteile von Wurzelkanälen jedoch unbehandelt, besteht das Risiko persistierender intrakanalärer In- fektionen, die symptomatisch oder asymp- tomatisch verlaufen können. Entscheidend dabei sind die Menge, die Pathogenität und die Virulenz der zurückbelassenen, möglicher- weise in einem Biofilm organisierten Mikro- organismen [Ørstavik et al., 2008]. In einer retrospektiven klinischen Studie konnte in einem Beobachtungszeitraum über fünf Jahre an 5.616 oberen Molaren gezeigt werden, dass mit dem Auffinden des zweiten mesio- bukkalen Wurzelkanals die Langzeitprognose verbessert werden kann [Wolcott, 2005]. Als Ursache für fortbestehende mikrobielle Infektionen werden Anastomosen zwischen den benachbarten Wurzelkanälen und Sei- tenkanäle mit separatem Kontakt zum Parodontium angenommen. Die Auseinandersetzung mit der bisweilen sehr komplexen Anatomie des Wurzelkanalsystems soll den Zahnarzt keineswegs entmutigen – im Gegenteil: Mit mehr Wissen und Erfahrung können auch schwierige Fälle erfolgreicher therapiert werden. Die dreidimensionale Dar- stellung des Wurzelkanalsystems mithilfe der Computertomografie führt zu einem besseren Verständnis einer komplexen anatomischen Struktur und ermöglicht die Entwicklung neuer minimalinvasiver Behandlungstechniken. Die Indikation zur Anfertigung einer dentalen DVT-Aufnahme ist jeweils individuell zu bestimmen und orientiert sich am Nutzen für den Patienten [Schulze et al., 2013]. Prä- operative DVT-Aufnahmen erhöhen die diagnostische Sicherheit und beeinflussen signifikant die Therapieentscheidung [Mota de Almeida et al., 2014]. Das Ermitteln der tatsächlichen Wurzelform und möglicher tiefer Aufzweigungen von Wurzelkanälen kann dann den Erfolg der Therapie positiv beeinflussen, wenn gleichzeitig die Infor- mationen aus der dentalen DVT mit einer optischen Vergrößerung (Lupenbrille 6x oder Dentalmikroskop) am Patienten wieder aufgefunden werden können. Angaben zur Prävalenz von Wurzelkanälen geben dabei eine Orientierung zur Möglichkeit einer Abweichung von der sogenannten Norm. Die Ermittlung der tatsächlichen Anatomie mit bewährten Methoden der klinischen Dia- gnostik in Form der intrakoronalen Befund- aufnahme und Diagnostik (IKD) [Arnold et al., 2013] und modernen Möglichkeiten, zum Beispiel der dentalen DVT und dem Dentalmikroskop, bieten neue Chancen, natürliche Zähne langfristig zu erhalten. Dipl.-Stom. Michael Arnold Praxis für Endodontie und Zahnerhaltung Königstr. 9, 01097 Dresden endo.arnold@web.de Dr. med. dent. Frank Paqué Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Klinik für Präventivzahnmedizin, Paro- dontologie und Kariologie Universität Zürich und Praxis für Endodontologie Rennweg 58 CH-8001 Zürich Danksagung: Für die Herstellung und fotografische Doku- mentation der transparenten Präparate der Abbildung 1 gebührt der herzlichste Dank Dr. Holm Reuver aus Neustadt/Weinstraße. Abbildung 19: An Zahn 16 wurden im Verlauf der tertiären Zugangs- kavität allein mesio- bukkal vier stark ver- engte Wurzelkanäle dargestellt. Abbildung 20: a) Röntgenkontrolle nach Abschluss der Behandlung: Die stark gekrümmten Kanäle wurden vollständig thermoplastisch ge- füllt. An allen drei Wurzelspitzen ist eine ausgedehnte peri- apikale Aufhellung als Folge der intra- kanalären Infektion erkennbar. b) Sechs Monate nach Abschluss der Therapie und optimaler Kronen- neuversorgung ist eine deutliche Heilungs- tendenz zu erkennen. Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Foto: zzm.uzh.ch Foto: privat 92 Zahnmedizin

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=