Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 07

zm 108, Nr. 7, 1.4.2018, (658) „Im Gegensatz zur Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung sowie zur Deutschen Krankenhausgesell- schaft ist die Pflege im Gemeinsamen Bun- desausschuss (G-BA) nur sporadisch vertre- ten. Interessiert sich der G-BA überhaupt für die Pflege?“ – m it dieser provokanten Frage eröffnete Moderator Thomas Grünert die Podiumsdiskussion: Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA, reagierte gelassen: Seiner Meinung nach ist ein ganzheitliches Konzept dringend erforderlich, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen. „Zur Anerkennung eines Berufs- stands gehört auch das Vertrauen einer Ge- sellschaft, dass berufsständische Angelegen- heiten eigenverantwortlich geregelt werden können“, sagte Hecken. Daher sei eine „in- stitutionalisierte und durch eine Mitglied- schaft im G-BA legitimierte Vertretung für die Pflege als identitätsstiftendes Instrument für den Beruf nicht zu unterschätzen“. Zustimmung gab es vom Vizepräsidenten der Bundeszahnärztekammer, Prof. Dietmar Oesterreich: „Seit 27 Jahren mache ich nun Kammer. Und zwar aus dem Antrieb heraus, das Schicksal in die eigenen Hände nehmen zu wollen“, sagte er. Genau darauf komme es bei einer starken Selbstverwaltung an: „Warten Sie nicht darauf, dass jemand Fremdes für Sie entscheidet, entscheiden Sie selbst!“ Generell hält Oesterreich das ge- samte Gesundheitssystem für zu stark for- malisiert. Es werde zu wenig auf die Kräfte der Berufsstände geachtet. „Wir haben die Möglichkeit, intrinsisch aus uns heraus zu gestalten“, betonte Oesterreich. „Wer soll Qualität definieren, wenn nicht wir?“ Der ehemalige Präsident des Deutschen Pflege- rats und designierte Pflegebevollmächtigte des Bundes, Andreas Westerfellhaus, gilt als großer Verfechter einer Bundespflegekammer. „Eines meiner ersten Interviews hatte die Überschrift ‚Schluss mit der Fremdbestim- mung‘“, erzählte Westerfellhaus. „Ich kann einfach nicht verstehen, dass man einigen Berufen die Kompetenz zuspricht, ihre berufs- ständigen Angelegenheiten selbst regeln zu können, es der Pflege aber abspricht.“ In Niedersachsen wurde mit dem „Kammer- gesetz für die Heilberufe in der Pflege“ die Etablierung einer Landespflegekammer be- reits auf den Weg gebracht. Katrin Havers ist Vorsitzende des dortigen Einrichtungsaus- schusses. „Mir ist wichtig, dass der Anspruch nach Selbstbestimmung unser Selbstver- ständnis durchdringt“, sagte sie. Pflege- relevante Entscheidungen verliefen, „völlig anders {...] wenn sie von berufsfremden Akteuren getroffen werden“. „Mit einer Pflegekammer bekommen wir ein sehr star- kes Gestaltungswerkzeug an die Hand“, er- läuterte Havers. Das sei einerseits eine große Chance, andererseite natürlich eine große Herausforderung. Sie glaubt, dass eine eigene Kammer das Berufsverständnis verändern und weiterentwickeln wird. Doch Kammeraufgaben seien „nicht immer Sonnenschein“, mahnte Oesterreich. „Sie müssen als Kammer Standards setzen, Sie müssen Berufsrecht durchsetzen – und das freut nicht alle Mitglieder, wenn Sie die an ihre Pflichten erinnern – dennoch gehört es zu Ihren zentralen Aufgaben.“ Oesterreich appellierte an das gegenseitiges Verständnis der Berufsstände füreinander – und das er- reiche man am besten über Kooperationen. „So gibt es bereits zahlreiche gemeinsame Projekte zur Verbesserung der Mundge- sundheit mit den Pflegeberufen.“ Sein Rat zu guter Letzt: „Wenn Sie die Bundespflege- kammer vielleicht schon in fünf Jahren er- richtet haben, dann behalten Sie auch die Gemeinwohlinteressen im Blick! Auch das gehört dann zu Ihrer Verantwortung!“ nb Podiumsdiskussion beim Deutschen Pflegetag 2018 „Kammer ist nicht immer Sonnenschein“ Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will den Pflegeberuf attraktiver machen – und begrüßt die Forderung nach einer Bundespflegekammer: „Es kann nicht sein, dass ohne Beteiligung der Pflegenden über Pflegende Entscheidungen getroffen werden“, sagte er beim Deutschen Pflegetag 2018 in Berlin. Doch lassen sich damit tatsächlich alle Probleme sofort lösen? Eine spannende Podiumsdiskussion. D er neue Gesundheitsminister Jens Spah n beim D entschen Pflegetag in B e rlin Foto: zm-nb Direkt nach seinem Amtsantritt äußerte sich Spahn zu einem zentralen Bereich seiner künftigen Arbeit – der Altenpflege. Und stellte klar: Das wird nicht leicht. „Ich möchte als Minister so ehrlich sein zu sagen, das ist nicht so einfach zu machen!“ Auch er sei für eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte und für mehr Ausbildungsplätze – aber das müsse eben auch finanziert werden. Nachdrücklich sprach sich Spahn für einen „positiven Grundton“ in den kommenden Diskussionen aus: „Lassen Sie uns ge- meinsam schauen, wo wir stehen und was wir besser machen können.“ Und ergänzte, dass er dafür Unterstützung benötigt. „Ich brauche Sie alle dafür, dass Sie uns Druck machen!“ Er verstehe dies als Angebot für eine gute Zusammen- arbeit. Union und SPD haben im Koalitions- vertrag die Schaffung von 8.000 zusätz- lichen Pflege-Stellen im Rahmen eines Sofortprogramms vereinbart. Benötigt wird nach Angaben von Experten aber ein Vielfaches. So sind laut dem aktuellen Pflege-Thermometer rund 17.000 Stellen offen. „Ich brauche Sie alle!“ S PAHNS A PPELL 26 Politik

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