Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 07

zm 108, Nr. 7, 1.4.2018, (710) dem 5. und dem 30. Lebensjahr mit einem Gipfel zum Ende des zweiten Lebensjahrzehnts auf und ist nahezu immer unilateral. Die Ätiologie ist ungewiss [Schwenzer, 1980]. Die überschießende Wachstumsaktivität kann bis zu fünf Jahre oder länger anhalten [Merrill, 1986], ist aber letztendlich selbst- limitierend. Die kondyläre Hyperplasie ist die am häufigsten auftretende postnatale Wachstumsanomalie im temporomandibu- lären Gesichtsbereich. Klinisch finden sich faziale Deformitäten mit Asymmetrie und ästhetischer Beeinträchtigung, Okklusions- und Artikulationsstörungen, funktionellen Beeinträchtigungen (Sprechen, Kauen, Hypomobilität), Schmerzen sowie Kiefer- gelenkgeräuschen [Nitzan et al., 2008]. In der Mehrzahl der Fälle stellt die Gesichts- asymmetrie, wie im vorliegenden Fall, den Hauptgrund für die Behandlung dar. Bei Patienten mit Symptomen einer Kiefer- gelenkerkrankung (Schmerzen, Dysfunktion u. a.) sollte eine Untersuchung hinsichtlich einer vorliegenden fazialen Asymmetrie er- folgen, um Hinweise auf eine kondyläre Wachstumsstörung abzuklären [AWMF S3- Leitlinie, 2016]. Differenzialdiagnostisch kommen die hemifaziale Hypertrophie, uni- laterale Mikro- oder Makrognathie, Latero- gnathie, isolierte Unterkiefer-Prognathie, maxilläre Hypoplasie, Akromegalie, Makro- glossie sowie die fibröse Dysplasie und Neo- plasien infrage [Kawamoto et al., 2009]. Bei den neoplastischen Erkrankungen ist insbesondere an das Osteochondrom und an das Osteom zu denken. Die Diagnostik bei Verdacht auf eine kondyläre Hyperplasie sollte zur Vermeidung von Langzeitfolgen (Asymmetrien, Okklusionsstörungen, Dys- funktionen) zeitnah durchgeführt werden. Neben der Anamnese und klinischen Unter- suchung erfolgt daher zunächst eine kon- ventionelle radiologische Diagnostik mittels Orthopantomogramm (OPG) und Fern- röntgenseitenbild (FRS) [Olate et al., 2013]. Daneben ist eine nuklearmedizinische Untersuchung (Szintigrafie, SPECT) zu empfehlen [Hodder et al., 2000], um eine aktive, progressive Form auszuschließen oder zu erkennen. Vor allem bei Kindern besteht jedoch eventuell eine eingeschränkte Indikation zu nuklearmedizinischen Verfahren, weshalb in diesen Fällen eine Verlaufsuntersuchung an- hand von Klinik und Modellserien erwogen werden sollte. Weiterführende Bildgebungen wie CT-, DVT- oder MRT-Aufnahmen können zudem zur verbesserten Abklärung und Dif- ferenzialdiagnostik eingesetzt werden. Der Zeitpunkt und die Art der Therapie hängen von verschiedenen Faktoren – wie Aktivität des Wachstums, der klinischen Pro- gression, dem Umfang der Asymmetrie und Malokklusion, Alter und der allgemeinen Beschwerdesymptomatik – ab [AWMF S3-Leitlinie, 2016]. Grundsätzlich wird zwischen der konservati- ven Therapie mittels kieferorthopädischer (wie Schienentherapie) und/oder zahnärzt- lich-prothetischer Maßnahmen bei inaktiven kondylären Hyperplasien mit geringen kli- nischen Ausmaßen [Gc et al., 2012] und der operativen Therapie unterschieden [Ferreira et al., 2014]. Als operative Verfahren kom- men die hohe Kondylektomie („condylar shaving / high condylectomy“) mit und Die kondyläre Hyperplasie ist eine unilaterale überschießende oder persis- tierende Aktivität der kondylären Wachs- tumszone über die normale Wachstums- phase hinaus zwischen dem 5. und dem 30. Lebensjahr. In den meisten Fällen stellt die Gesichtsasymmetrie den Hauptgrund für die Behandlung dieser selbstlimitierenden Erkrankung dar. Diagnostisch kommen neben der klinischen Untersuchung auch konven- tionelle Röntgenaufnahmen (OPG, FRS) und nuklearmedizinische Methoden zum Einsatz. Das Therapieregime ist individuell und kann konservative wie auch chirurgische Maßnahmen beinhalten, so dass eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ange- strebt werden sollte. Fazit für die Praxis Abbildung 5: Histologisches Bild mit einer proliferationsaktiven Kambiumschicht und geringer unspezifischer Entzündung im Sinne einer kondylären Hyperplasie Foto: Baumhoer Abbildung 6: Intraorale Fotodokumentation zwei Jahre postoperativ mit verbessertem offenem Biss im Seitenzahnbereich rechts und angedeuteter Überstellung der Oberkieferfront Foto: Baum/Ha-Phuoc 78 Zahnmedizin

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