Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08

zm 108, Nr. 8, 16.4.2018, (770) Aufrechter Journalismus kennt keine Feigheit Zum Leserbeitrag „Publikumspresse – Die unsinnigen Verunglimpfungen des STERN“, zm 5/2018, S. 8. Der von Ihnen veröffentlichte Beitrag eines anonymen stern- Lesers markiert für mich den absoluten Nullpunkt des jour- nalistischen Niveaus der zm. Wie war es möglich, dass fast eine ganze Seite Ihres Heftes mit an Plattheit, Falschheit und Igno- ranz nicht zu übertreffenden Phrasen vergeudet wurde? Wieso bieten Sie jemandem eine Platt- form, der durch seinen Text erkennen lässt, dass ihn das Schicksal des zahnärztlichen Berufsstandes und das Schicksal der vielen Menschen, die unter einer falschen Berufsauffassung viel zu vieler Zahnärzte tagtäg- lich an Gesundheit und Lebens- qualität einbüßen, offenbar noch nicht einmal im Ansatz kümmert? Mit diesem Lapsus erweisen die zm der Zahnärzteschaft einen unverzeihlichen Bärendienst. Ein Standesorgan, welches die teils unangenehmen Wahrheiten des Berufsstandes ignoriert, persifliert oder zensiert, erinnert an Zeiten unterdrückter Pressefreiheit und hätte so alles Vertrauen seiner Leser und damit seine Berech- tigung verwirkt. Aufrechter Jour- nalismus, wie ihn der Autor des kritisierten stern-Beitrags, Herr Dr. Bernhard Albrecht, vorbild- lich demonstriert, kennt keine Feigheit, und zwar weder vor unangenehmen Sachverhalten noch vor der persönlichen Ver- antwortung der stets namentlich zu nennenden Autoren. Dr. Eberhard Riedel, München Zeit für eine offene Debatte Zum Leserbeitrag: „Publikumspresse – Die unsinnigen Verunglimpfungen des STERN“, zm 5/2018, S. 8. Wie die Zahnärzteschaft auf Kritik reagiert, ist ein interessanter Seis- mograph. Meist schweigt sie das Thema tot. Oder es wird unsach- lich – so zum Beispiel in der zm- Ausgabe vom 1. März in einem anonymen Leserbrief zur Titel- geschichte der Zeitschrift „Stern“ („Die teuren Tricks der Zahn- ärzte“). Dritte Möglichkeit: Man stellt heraus, wie gut alles läuft. Hohe Vertrauenswerte der Pa- tienten, vorbildliches Gutachter- wesen, gute Zahngesundheit in Deutschland. Der Rest? Einzel- fälle oder Skandalisierung der Medien. Doch reicht das, um für die Zukunft gewappnet zu sein? Ich meine nein. Bei aller Lobbyarbeit, die auch Körperschaften des öffent- lichen Rechts betreiben, täte der Zahnärzteschaft eine moderne, offene Debattenkultur gut. Wer im alten Denken verharrt, wird auf Dauer verlieren. Denn dass Patienten beim Zahnarzt schnell im Nachteil sein können, zeigt sich seit Jahren in zahlreichen Untersuchungen. Mein Kollege Bernhard Albrecht hat viele da- von in seiner Erwiderung gerade an dieser Stelle aufgelistet. Ebenso zeigt das Projekt „Kosten- falle-Zahn“ der Verbraucherzen- tralen, gefördert vom Bundes- ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Patienten brauchen gerade in der weitge- hend privatisierten Zahnmedizin mit einer schwer durchschaubaren Mischung aus Sachleistungen, Zuschüssen und Eigenanteilen eine besonders gute Beratung und Aufklärung. Drei Viertel der Menschen, die sich im Beschwerde- portal der Verbraucherzentralen gemeldet haben, sind mit der Auf- klärung unzufrieden. Bei der Haus- haltsbefragung des Statistischen Bundesamtes 2014 gaben 48,3 Prozent, also knapp die Hälfte der Teilnehmer an, aus finanziellen Gründen auf einen notwendigen Zahnarztbesuch zu verzichten. Und die Zahnärzteschaft meint, es sei alles in Ordnung? Gerne zitiere ich den Barmer Zahn- report 2016: „Man darf sich aus ästhetischen Gründen gegen die Regelversorgung entscheiden, aber nie aus Unwissenheit.“ Wenn Zahnärzte nicht regel- gerecht aufklären, verstoßen sie gegen das Gesetz. Auch deshalb sieht das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz es als wichtig an, Verbraucher mit Wissen über ihre Rechte zu stärken, um für „mehr Augen- höhe zwischen Arzt und Patient zu sorgen“, wie es in der Abschluss-Pressemitteilung des Projektes „Kostenfalle-Zahn“ gerade hieß. Zudem kündigte Karl-Josef Laumann, Gesund- heitsminister in Nordrhein-West- falen (NRW), und ehemaliger Patientenbeauftragter der Bun- desregierung, im Januar an, dass Patientenorientierung „als Element einer zukunftsweisenden Gesundheitspolitik“ das Schwer- punktthema der diesjährigen Ge- sundheits- minister- konferenz der Länder werden soll. Das Thema ist also auf dem Tableau. Es geht auch überhaupt nicht um pauschale Kritik. Die Zahnärzteschaft sagt stets, sie gehe gegen schwarze Schafe vor. Belege dafür liefert sie mangels Statistik nicht. Es ist aber ihre Aufgabe, für eine Markthygiene zu sorgen. Und es wäre in ihrem Interesse, die guten Zahnärzte zu stärken. Immer den schützenden Mantel über die Masse zu halten, ist nicht der richtige Weg. Tanja Wolf, Medizinjournalistin, Autorin des Buches „Murks im Mund – Missstände in der Zahn- medizin“, leitete das Projekt „Kostenfalle-Zahn“ bei der Verbraucherzentrale NRW (www.kostenfalle-zahn.de ) Link zum Forderungspapier des Projekts Kostenfalle-Zahn: https://www.kostenfalle-zahn.de/ sites/default/files/2018–03/ Positionspapier_Zahnmedizin_VZ _nrw_maerz2018_v2.pdf Link zur zitierten Presse- information des BMJV: https://www.verbrau cherzentrale.nrw/presse meldungen/presse-nrw/ bilanz-des-projekts-kos- tenfalle-zahn-24359 Quelle: zm-Archiv 10 Leserforum

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