Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08
zm 108, Nr. 8, 16.4.2018, (772) Die synthetischen Borsten waren allerdings am Anfang viel zu hart – und die Folge schlechte Putz- ergebnisse und Verletzungen des Zahnfleischs. Erst mit dem 1950 verfügbaren weicheren Nylon funktionierte das Zähneputzen besser. Der Rest der Bürsten be- stand zunächst noch aus Holz, wurde aber sukzessive durch Kunststoff ersetzt. Diese dop- pelte Materialveränderung war der Grund, warum sich die Zahnbürste zur Massenware ent- wickelte. Für Zahnbürsten gibt es mehrere Normierungen, darunter die DIN EN ISO 20126. Sie be- schreibt eine Büschelauszugs- prüfung, in der jede Borste eine Zugkraft von 15 Newton aus- halten muss. Mit der Mayadent brachte Oral-B dann 1963 die erste automatische Zahnbürste in den Handel, als Vorbild gilt die 1954 von der Schweizer Firma Broxo entwor- fene Broxodent. Diese erste Ge- neration elektrischer Zahnbürsten hatte freilich ein Riesenproblem: Sie besaß nämlich überhaupt keinen Vorteil gegenüber der Handzahnbürste. Weder putzte sie besser noch war sie preiswerter. Die Modelle imitierten im Grunde allesamt nur die Bewegungen des Handzahnbürstenkopfs. Das hieß, nur motorisch eingeschränkte Personen profitierten davon. Als überaus störend beim Putzen er- wies sich außerdem das Strom- kabel. Erst in den späten 1960ern ersetzten Batterien und schließ- lich Akkus mit Ladestation Kabel und Stecker. Alle drei Monate sollte man seine Zahnbürste wechseln. Bei einem Durchschnittsalter von 80 Jahren sind das 320 Zahn- bürsten pro Person. 190 Millio- nen Zahnbürsten werden allein in Deutschland jährlich verkauft. Insgesamt produzieren wir dadurch 2.200 Tonnen Plastik- müll pro Jahr. Im Jahr 1987 gingen die ersten oszillierenden Versionen mit ro- tierendem Bürstenkopf vom Band. Sie lösten den Schmutz effektiver, was zu deutlich besseren Putz- ergebnissen führte. Bürsten wie die Interplak von Bausch & Lomb oder die Braun D3 von Oral-B standen aber auch gleichbedeu- tend für Zahnfleischbluten. Erst als die Hersteller die Modelle so anpassten, dass die Gingiva nicht mehr verletzt wurde, be- gann die weltweite Aufholjagd der elektrischen Zahnbürste. Erstmals entfernten die rotie- renden Bürsten Plaque und an- dere Verunreinigungen jetzt so gut wie eine Handzahnbürste. Mit der D5 entwickelte Oral-B 1991 eine elektrische Bürste, die mit ihrem runden, heute noch gängigen Bürstenkopf den Markt revolutionierte: Die via integriertem Schallwandler er- zeugten Schallwellen zwischen 250 und 300 Hertz sorgten für deutlich mehr Schwingungen und damit für eine noch einmal verbesserte Reinigungswirkung – insbesondere bezüglich der Plaque. Nylon – Polyamid – wurde zuerst für Zahnbürsten und nicht für Nylonstrümpfe ver- wendet: Am 24. Februar 1938 wurden die ersten Exemplare verkauft, die ersten fünf Millionen Strumpfpaare gingen dagegen erst am 15. Mai 1940 über den Tisch. Die erste Schallzahnbürste pro- duzierte Philips 1992 in den USA, andere Hersteller folgten. Die ei- nerseits schwingenden, anderer- seits oszillierenden Borsten er- zeugen Bewegungen, die man mit einer Handzahnbürste kaum vollbringen kann. Da die mehr- teiligen Bewegungen des Kopfes die Interdentalräume gut er- reichen, fällt die Zahnreinigung deutlich leichter. Ab 1998/1999 kam erstmals Pulsation zum Ein- satz: Dabei wurden die oszillie- rend-rotierenden Bewegungen durch mehrere zehntausend Vor- und Zurückbewegungen ergänzt. Diese fälschlicherweise oft als 3-D-Technik bezeichnete Wie sieht die ideale Hand- zahnbürste aus? Die Handzahnbürste sollte über eine endgerundete Nylon- bürste verfügen. Der Bürstenkopf sollte eher größer sein, denn beim Blu- tungs- wie auch beim Plaque- Index schneidet die größere Bürste besser ab. Das Borstenfeld sollte der Topografie der Zahnoberfläche entgegenkommen: Vorbild der Zahnbürste war ursprünglich der Besen. Da unsere Zähne mit Zahnbogen, Interdentalräumen und Fissuren aber keinem ebe- nen Fußboden gleichen, reinigt eine Bürste mit längeren und kurzen Borsten, die lückig ange- ordnet sind, besser! Einzeln stehende Borsten- büschel verhindern einen Ver- keilungseffekt des Borstenfeldes. Die Borstenhärte ist bedarfs- orientiert. Eine harte Bürste ent- fernt Plaque am besten, eine weiche verursacht am wenigs- ten Weichgewebsverletzungen, aber die meiste Abrasion, weil sie die Zahnpasta stärker mit der Zahnoberfläche in Kontakt bringt. Alterspezifisch ist nur der Griff: Bei Kindern und alten Menschen sollte er etwas dicker sein. Prof. Dr. Stefan Zimmer vom Lehrstuhl für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin an der Uni Witten/Herdecke nennt hier die sechs wichtigs- ten Kriterien. Die 6 wichtigsten Kriterien Handzahnbürsten Foto: picture-alliance-akg-images-Jan Meyer Von der Nylonbürste zum Smartguide 80 Jahre Zahnbürste Der Siegeszug der Zahnbürste begann vor 80 Jahren mit der Erfindung des Nylons: 1938 stellte die US-amerikanische Firma DuPont die ersten Exemplare in Massenproduktion her. 12 Gesellschaft
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