Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08

zm 108, Nr. 8, 16.4.2018, (778) breitung von nicht belegten Tatsachen- behauptungen gerichtlich geklärt werden. Doch obwohl es inzwischen eine lange Reihe auch höchstrichterlicher Entscheidungen zu Bewertungsportalen gibt, sind schwer- gewichtige Rechtsfragen immer noch offen. Juristisch ungeklärt steht heute noch die Frage im Raum, ob ein Patient die fachliche Leistung eines Arztes überhaupt beurteilen kann. Aus medizinischer Sicht ist das ein- deutig nicht möglich – allein aufgrund der Wissensasymmetrie zwischen medizinischem Experten und Laien. Dennoch wird mit dem Benotungssystem suggeriert, die abge- gebenen Patientenmeinungen ließen ein verlässliches Bild über die Qualität des be- werteten Arztes oder Zahnarztes zu. Ungeklärt ist auch die Frage, ob und wie ein Bewertungsportal abgegebene Bewertungen schnell und rechtssicher vor der Veröffent- lichung prüfen kann. Auf die Dauer erscheint es rechtlich unbefriedigend, wenn jede strittige Bewertung einzeln zum Gegenstand anwaltlicher Kommunikation oder gar eines gerichtlichen Verfahrens wird. Eine prakti- kable Lösung ist auch hier nicht in Sicht. Wie authentisch sind die Noten? Neben den ungeklärten rechtlichen Pro- blemen verbleibt nach wie vor ein hohes Potenzial von Täuschung und Bewertungs- verzerrung, das ganz wesentlich auf die weitgehende Anonymität der Bewertungen bei den gängigen kommerziellen Bewertungs- portalen zurückzuführen ist. Um die Portale herum hat sich eine regelrechte Sekundär- wirtschaft herausgebildet. Spezialisierte Anwaltskanzleien bieten rechtliche Hilfe beim Löschen schlechter Bewertungen an. Dabei wird schon mal in Aussicht gestellt, dass mit rechtlichen Kniffen auch eigentlich zulässige kritische Meinungsäußerungen erfolgreich gelöscht werden könnten. Auch gute Bewertungen werden im Netz feilgeboten. „Gewinnen Sie Neu- und Privat- patienten durch positive Bewertungen. [...] Schaffen Sie Vertrauen.“ Mit diesem Argu- ment wird eine getürkte jameda-Bewertung bei einer in Zypern registrierten Firma mit deutscher Internetpräsenz für 69,90 Euro offeriert. Daneben sind auch Google-, Holidaycheck-, Facebook-, Preisvergleich- und allerlei sonstige vertrauenschaffende Bewertungen im Portfolio der Dienstleister aus Zypern. Doch auch die Bewertungsportale selbst stehen in der Kritik. Journalisten der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ haben im Januar 2018 das Portal jameda da- raufhin untersucht, ob Ärzte, die ein kostenpflichtiges Premiumpaket gekauft haben, in den Bewertungen besser abschneiden als die nichtzahlenden Kollegen. Ergebnis der Recherche: „Sonderbarerweise haben zah- lende Ärzte so gut wie keine schlechten Noten, und 95 Prozent ihrer Noten sind Einsen.“ Und die Journalisten haben noch mehr Ungereimtheiten ausgemacht: „jamedas eigenem Prüfsystem nach zu urteilen, scheinen zahlende Premium-Ärzte [...] häufiger zu versuchen, ihre Bewertungen zu manipulieren“ [ZEIT, 2018]. Um Missbrauchspotenziale zu begrenzen, haben BZÄK und KZBV in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer, der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung und dem Ärztlichem Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) bereits 2012 den Leitfaden „Gute Praxis Bewertungsportale“ veröffent- licht. Hier wurden Qualitätsanforderungen für Zahnarztbewertungsportale definiert, deren Einhaltung „für den Nutzer die Ver- lässlichkeit der angebotenen Information gewährleisten“ soll, wie es im Papier heißt. Denn: „Nur gut informiert kann ein Patient das Recht auf freie Arztwahl im Sinne der bestmöglichen Versorgung gezielt ausüben“ [BZÄK/KZBV, 2012]. Den im Leitfaden definierten Qualitäts- anforderungen am nächsten kommt das Arztbewertungsportal www.weisse-liste.de . Das von der Bertels- mann-Stiftung betrie- bene, nichtkommer- zielle Portal hat sich Mühe gegeben, die Risiken von Missbrauch zu minimieren. So müssen sich Nutzer, die einen Arzt bewerten wollen, mit ihrer Versichertennummer regis- trieren und können einen Arzt nur einmal bewerten – bei einer Neubewertung wird die ältere Bewertung des Patienten gelöscht. Damit werden Mehrfachbewertungen eines Patienten gezielt ausgeschlossen. Ein durch- aus überzeugendes Konzept. Bedauerlich ist aber, dass bislang nur die Versicherten von AOK, Barmer und Bertelsmann BKK an der Bewertung teilnehmen können. Im Gegensatz zur Weissen Liste liegen den kommerziellen Arztbewertungsportalen klare Geschäftsmodelle zugrunde. Erlöse werden je nach Portal durch eingeschaltete Wer- bung und durch den Verkauf sogenannter Premiumpakete an Ärzte erwirtschaftet. Da es für Ärzte zunächst einmal rechtlich nicht möglich ist, sich von der Listung in einem Bewertungsportal löschen zu lassen, ent- steht ein erheblicher Druck, sich auf den Portalen unabhängig von den eingestellten Bewertungen positiv darzustellen. Diese Möglichkeiten der Selbstdarstellung lassen sich dann die Portale mit monatlichen Ge- bühren für „Premiumpakete“ bezahlen. Das Geschäftsmodell funktioniert trotz etlicher Negativpresse und juristischer Rückschläge in höchstrichterlichen Entscheidungen of- fensichtlich prächtig. Die zm hat dazu die Zahlen des nach eigenen Angaben größten In der Stichprobe aus verschiedenen Städten war unter 406 Zahnärzten – alles jameda- Kunden – kein einziger, der das preisgünstigste Silber-Paket gebucht hatte. Quelle: zm-br 18 Arztbewertungsportale

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