Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 08

zm 108, Nr. 8, 16.4.2018, (806) rent!“, riet die Professorin. „Abwehrreaktio- nen können übrigens unterschiedliche Aus- prägungen annehmen: Die einen kämpfen, die anderen flüchten, und es gibt Menschen, die stellen sich tot. Totstellen wird oft ver- wechselt mit Adhärenz. Doch diese Patien- ten sind nicht compliant, sondern passiv- aggressiv, das heißt, sie nicken in der Praxis alles ab, befolgen aber gar nichts.“ Am bes- ten, betonte Heckhausen, spricht man offen über die Pros und Cons einer Verhaltens- änderung und arbeitet die Diskrepanzen zwischen Gegenwart und erwünschtem Zustand gemeinsam mit dem Patienten heraus. „Verlassen Sie das Reiz-Reaktions- Schema – das kostet Sie nur Kraft und Nerven“ sagte Heckhausen. „Fühlen Sie sich stattdessen in den Patienten ein und seien Sie empathisch. Mit anderen Worten: Holen Sie ihn dort ab, wo er steht!“ Der Mund als entgleistes System ZA Georg Scherpf aus Berlin stellte sein Pra- xiskonzept zur professionellen Prävention vor: „Anhand des PAR- und des DMFT-Index bestimmen wir in unserer Praxis das Paro- dontitisrisiko des Patienten.“ Dabei unter- scheidet Scherpf drei Systeme: 1. Bei einem stabilen System sind keine Schritte seitens der Praxis notwendig, eine Verbesserung der Mundhygiene kann aber nützlich sein. Eine Sitzung pro Jahr genügt. 2. Bei einem labilen System sind Anzeichen der Krankheit sichtbar – und die Verbeserung der Mund- hygiene ist notwendig. Sollten größere restaurative Maßnahmen erfolgen, muss der Patient in ein organisiertes Prophylaxe- programm aufgenommen werden. Das In- tervall beträgt sechs Monate. 3. Bei einem „entgleisten System“ ist der Patient schwer erkrankt, ein organisiertes Prophylaxe- programm zwingend geboten, andernfalls sind Sanierung und Restauration eher abzu- lehnen. Der Patient sollte mindestens alle drei Monate in der Praxis vorstellig werden. So wichtig ist das Milchgebiss Vor dem Hintergrund systemischer Erkran- kungen und einer darum oft eingeschränk- ten Mobilität der Patienten plädierte Prof. Dr. Benjamin Ehmke aus Münster für eine individuellere, ans Lebensalter und an den Dr. Klaus Bartling, Präsident der Zahnärzte- kammer Westfalen-Lippe, benannte in sei- ner Auftaktrede vier aktuelle Probleme in der zahnmedizinischen Versorgung: 1. die „immer noch nicht“ umgesetzte Approbationsordnung, 2. die Fachsprachenprüfung (bei der nur die Fachsprachenkompetenz bewertet werden dürfe, die fachlichen Defizite der ausländischen Bewerber jedoch außen vor gelassen werden müssten), 3. die befürchtete Bürokratielast durch die Datenschutzgrundverordnung sowie 4. die Bedrohung der Versorgungsland- schaft durch ausländische MVZ-Investoren. „Zahnärzte, Kommunen und Kranken- häuser dürfen jetzt arztgruppengleiche MVZ gründen. Für diese Kapitalgeber ist es wirklich einfach: Sie kaufen eine psychia- trische Klinik und dann haben sie diesen Status“, sagte Bartling. „Solche Investoren versprechen sich vom deutschen Gesund- heitsmarkt einzig eine lukrative Rendite. Das ursprünglich damit von der Politik verfolgte Ziel, die Versorgung auf dem Land zu stärken, erfüllen sie gar nicht – die- se MVZ sitzen ja in den Ballungszentren.“ Den anwesenden NRW-Gesundheitsmi- nister Karl-Josef Laumann (CDU) fragte er: „Wollen Sie, dass wir weiter als freiberufliche Zahnärzte arbeiten? MVZ unterliegen nämlich nicht der Musterberufsordnung – sie sind bei der IHK gemeldet.“ Auch er mache sich Sorgen, was die Ketten- bildung angeht, pflichtete Laumann ihm bei. Es sei aber auch „Aufgabe der Frei- berufler selbst“, ihre Werte in die neue Ge- neration hineinzutragen. „Die Kammern sitzen auf dem Ast der Freiberuflichkeit, deshalb ist es auch an ihnen, darüber nachzudenken, wie man diese Freiberuf- lichkeit wirtschaftlich betreiben kann.“ Laumann bezeichnete sich als „Freund der Selbstverwaltung“ und versprach, wo immer möglich, staatliche Aufgaben auf die Kam- mer zu übertragen. Aber: „Wir haben arzt- gruppengleiche MVZ zugelassen, weil in der allgemeinmedizinischen Versorgung die Hütte brennt. Wenn wir nur Zahnärzte hätten, dann hätten wir das bestimmt nicht getan! Ich sehe allerdings keinen Grund, bei den Zahnärzten eine Ausnahme zu machen und diese Regelung bei Ihnen aufzuheben, denn noch haben wir ja kein Problem in der zahnärztlichen Versorgung! Sie können aber sicher sein, dass wir diese Entwicklung mit- hilfe kleiner Stellschrauben lenken.“ Investoren gründen MVZ – und gefährden die Versorgung „Ich bin ein Freund der Selbstverwaltung!“ NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) mit KZV-Vize Michael Evelt, KZV-Chef Dr. Holger Seib, Kammervorstandsmitglied Dr. Martina Lösser, Kammervizepräsident Jost Rieckesmann und Kammerpräsident Dr. Klaus Bartling. Foto: ZÄKWL 46 Zahnmedizin

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