Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09
zm 108, Nr. 9, 1.5.2018, (908) „Es war sicher gut gemeint, als in den Jahren 2013 und 2014 neue beziehungsweise modifizierte Leistungsziffern im BEMA eingeführt wurden – leider müssen wir aber feststellen, dass sie nicht den ge- wünschten Effekt bringen.“ Das Urteil des Vorstandsvorsitzenden der Barmer, Prof. Christoph Straub, ist klar, pointiert, eindeutig. Dabei stützt er sich fast ausschließlich auf die Auswertung der eigenen Abbrechnungsdaten. So bilden die Datenbasis für den Report die Daten der Jahre 2010 bis 2016 für alle Leistungen des BEMA von 8,4 Millionen Versicherten der Barmer GEK. Davon waren 2,2 Millionen Versicherte 65 Jahre und älter, darunter 340.000 Versicherte mit Pflegebedürftigkeit. Vollstationär gepflegt wurden 115.000 versicherte Senioren. Nun geht aus diesen Daten hervor, dass die Abrechnung nach den neuen Leistungsziffern, eingeführt um die Versorgung Pflegebedürf- tiger zu verbessern, in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat – allein im Jahr 2016 wurden diese bundesweit 1,9 Millionen Mal abgerechnet. Das Problem, auf das sich Straub jedoch bezieht: Obwohl immer mehr Zahnärzte immer mehr Pflegebedürftige untersucht hätten, habe die „Inanspruchnahme einfacher Therapie- leistungen nicht zugenommen“ – sprich: Eine Therapie finde nach der Erstuntersuchung nicht statt. Prof. Michael Walter, Direktor der Dresdner Poliklinik für Zahnärzt- liche Prothetik am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, hat die Studie im Auftrag der Barmer betreut. Das Ergebnis habe ihn über- rascht. Aus den BEMA-Daten geht hervor, dass 69 Prozent der Besuche ohne weitere abgerechnete Leistungen am selben Tag statt- fanden. Bei 53 Prozent der Besuche wurden auch nach 90 Tagen keine weiteren Leistungen abgerechnet. „Zumindest bei der Reparatur von Zahnersatz hätte ich einen Anstieg der BEMA-Positionen erwartet, stattdessen war hier sogar eine leicht rückläufige Tendenz festzustellen“, sagt Walter. Warum findet keine bis wenig Therapie im Pflegeheim statt? Die Gründe seien vielfältig, betont Walter. Für den Zahnreport hatte er Interviews mit 17 Vertretern von Pflegeheimen und Zahnärzten ge- führt. Dabei nannten die Befragten als Hauptgrund den „hohen Ver- waltungsaufwand für einen erforderlichen Transport“. So seien ihrer Meinung nach die „nicht vorhandene zahnärztliche Ausstattung im Pflegeheim“ sowie der „bürokratische Aufwand rund um den Kran- kentransport zum Zahnarzt“ ausschlaggebend dafür, dass nach der Befundung keine Behandlung stattfindet. Des Weiteren würden aber auch oft Patienten die Therapie ablehnen, berichteten die Befragten weiter. Gerade im allgemeingesundheitlichen Kontext nähmen zahn- medizinische Probleme oft einen deutlich niedrigeren Stellenwert ein. Wie viel Therapie ist sinnvoll? „Die Diskrepanz wiegt schwer und ist für alle Beteiligten unbefrie- digend“, räumt Walter ein. Es stelle sich aber die Frage, wie viel Therapie in den Pflegeeinrichtungen überhaupt vor Ort erbracht werden kann und für die Pflegebedürftigen auch sinnvoll ist. „Studien unter Einbeziehung des Methodeninventars der Versorgungsforschung erscheinen erforderlich, um die Grundlage für wirksame Verbesserun- gen zu schaffen“, sagt Walter. Auch Straub betont, dass vertiefende Analysen notwendig seien, um Erklärungen für die aufgeworfenen Diskussion um Barmer-Zahnreport 2018 Zu wenig Therapie im Pflegeheim? In ihrem Zahnreport zeichnet die Barmer ein klares Bild: Das im Jahr 2013 angestrebte Ziel, die zahnärztliche Versorgung von Pflegeheimbewohnern zu verbessern, sei verfehlt worden. Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und Bundes- zahnärztekammer (BZÄK) halten dagegen. „Seit 2014 werden immer mehr Pflegebedürftige im Pflegeheim durch den Zahnarzt erreicht – allerdings erfolgt bei mehr als zwei Dritteln der Besuche am selben Tag keine therapeutische Leistung, und bei mehr als der Hälfte auch innerhalb der folgenden 90 Tage nicht“, lautete das Fazit bei der Pressekonferenz anlässlich des Barmer-Zahnreports 2018 in Berlin. Doch was sind die Ursachen? Diese Frage kann keiner der Anwesenden beantworten. Foto: zm/nb 12 Politik
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