Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09
zm 108, Nr. 9, 1.5.2018, (910) dem Vorjahr. 87 Prozent der Besuche entfielen dabei auf Pflege- bedürftige und Menschen mit Behinderung – 2016 waren dies 84 Prozent. „Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung für die wachsende Zahl von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behin- derung – und diese nehmen wir seit Langem wahr“, betont Prof. Dietmar Oesterreich, BZÄK-Vizepräsident. „Seit fast zwei Jahrzehnten setzt sich die BZÄK für die Verbesserung der Betreuung und der Prä- vention dieser vulnerablen Bevölkerungsgruppe mit zahlreichen Pro- jekten ein. Bis 2014 basierte diese Betreuung vorwiegend auf dem ehrenamtlichen Engagement zahlreicher Zahnärzte. Es war ein zäher Weg, Politik und Krankenkassen von dem dringenden Handlungs- bedarf zu überzeugen.“ Leider werde in der Ausbildung der Pflegekräfte Nachdem sich die Kassen jahrelang gegen unsere Vorschläge ge- wehrt haben, die aufsuchende Versorgung im Leistungskata- log abzubilden, empfinde ich es als Affront, dass die Barmer GEK jetzt den Eindruck vermittelt, dass investierte Geld würde sich nicht in Leistungen niederschlagen. Die erste Auf- gabe des Zahnarztes in der aufsuchenden Betreuung ist die Befundaufnahme und die Vermittlung von Hinweisen zur Mund- hygiene und Zahnputzpflege und die Überführung der Pflegebedürftigen von der Akut- und Notfallversorgung in die Regelversorgung. Die Einbringung zahnärztlich therapeu- tischer Leistungen ist in der Pflegesituation aus vielerlei Gründen auf einfachste Maß- nahmen beschränkt – Multi- morbidität, Hygienebedin- gungen und apparative Vo- raussetzungen setzten dem Zahnarzt enge Grenzen. Richtig ist die Erkenntnis in dem Gutachten, dass die Kran- kentransport-Richtlinie aktuell eine unverhältnismäßig hohe Barriere darstellt, wenn Pflegebedürftige in die Praxis oder Klinik gebracht werden müssen, um dort behandelt zu werden. In jedem einzelnen Fall muss nämlich vor dem Krankentransport die Genehmigung der Kasse eingeholt werden. In den heftig geführten Verhandlungen zur Änderung der Krankentransport-Richtlinie sind die Kassen den Forderungen der KZBV nicht gefolgt, diese Barriere zu beseitigen. Im Gegenteil, unter Berufung auf § 60 SGB V haben sie sich massiv widersetzt. Statt in der Öffentlichkeit effektheischend den völlig falschen Eindruck zu erwecken, die Zahnärzte würden in der aufsuchen- den Betreuung „abkassieren“, sollte die Barmer die versorgungsverbessernden Maßnahmen konstruktiv unterstützen. Es wäre angebracht, wenn Herr Straub sich gemeinsam mit anderen Kassen und der KZBV für eine barrierearme Kranken- transport-Richtlinie in der Politik einsetzen würde. Wer Versorgung verbessern will, muss konstruktive, aktive Beiträge leisten. Bes- serwisserei und Nörgelei helfen nicht weiter. Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV „Besserwisserei und Nörgelei helfen nicht weiter“ D R . W OLFGANG Eß ER ZUR K RANKENTRANSPORT - RICHTLINIE „Zahnärzte kassieren die Besuchsgebühren in der Pflege, behandeln dann aber nicht“, lautet die Botschaft der Barmer, schaut man jedoch in den wissenschaftlichen Teil der Studie, finden sich wesentlich nachdenklichere Töne: Es „besteht die berechtigte Frage, ob ein verbesserter Zugang zu Therapie wirklich das korrekte Maß für die Erfolgsbeurteilung“ der neuen Besuchsgebühren ist. „Möglicherweise sind die in […] Studien dargestellten Behandlungsbedarfe an mancher Stelle auch noch zu sehr am normativen Bedarf und weniger an den spezifischen Bedarfen der Pflegebedürftigen orientiert.“ Ja, diese Fragen sollte man sich tatsächlich stellen! Der Report zeigt, dass die zahnärztlichen Kolleginnen und Kollegen im Jahr 2016 ein Drittel der Pflegebedürftigen besucht haben, die bei der Barmer versichert sind. Welche Patienten werden das wohl sein? Ist es die Frau Meyer, die mit dem Taxi in die Praxis kommen kann? Wohl kaum! Es sind die kompromittiertesten Patienten, deren Adaptationsfähigkeit schon von einer simplen Unterfütterung überfordert ist. Es sind die Patienten, die nur noch in Narkose saniert werden können, eine Narkose, die sie gesundheitlich jedoch nicht mehr durchstehen würden. Möchte Herr Prof. Christoph Straub, der als Vorstandsvorsitzender der Barmer die harschen Vorhaltungen im Vorwort des Reports unterzeichnet hat, einer an De- menz erkrankten Dame tatsächlich sagen „Deine Probleme sind uns wurscht, Du bekommst jetzt eine neue Prothese, egal ob Du Dich daran gewöhnst. Wenn Du das nicht willst, besucht Dich kein Zahnarzt mehr!“ Ist das die Botschaft, die unsere Gesellschaft an Pflegebedürftige und an die Mitarbeitenden in der Pflege geben möchte? Niemand käme auf die absurde Idee, die Medizin in der Pflege daran zu messen, wie viele künstliche Hüften sie am Lebens- ende implantiert. Auch in der Zahnmedizin zählen im letzten Lebensabschnitt nicht neue Prothesen und Implantate. Es zählt, da zu sein, sich zu kümmern, zu helfen, dass die Mundhöhle gepflegt und sauber ist und ernste Probleme zu verhindern. Das genau tun unsere Kolleginnen und Kollegen und dafür gebührt ihnen unsere Unterstützung und unser Dank! Der Vorstand der Deuschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin „Die Barmer versteht die Pflege nicht“ D IE DGAZ ZUR AUFSUCHENDEN B ETREUUNG Foto: KZBV-Baumann 14 Politik
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