Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09

zm 108, Nr. 9, 1.5.2018, (920) Dormagen: „Gemeinsam gegen Karies“ – ein inter- disziplinäres Präventionsprogramm zur Vermeidung von ECC Ein interdisziplinäres Präventionsprogramm startete im Rhein-Kreis Neuss, um dort früh- kindliche Karies zu vermeiden. Die Initiative, gegründet von einer fünfköpfigen Arbeits- gruppe, geleitet von Dr. Birgit Bartsch vom Zahnärztlichen Dienst des Rhein-Neuss- Kreises, wurde 2017 mit dem „Wrigley-Pro- phylaxe-Preis“ ausgezeichnet. Anlass für das Projekt: Das Gesundheitsamt hatte festge- stellt, dass in sozial schwächeren Regionen ein hoher Kariesbefall zu finden ist. Es galt, eine Struktur zu schaffen, die möglichst alle Familien mit Neugeborenen erreicht und ein großes Augenmerk auf sozial schwache Eltern legt, ohne dies zu stigmatisieren. „Durch die interdisziplinäre Zusammen- arbeit der Gynäkologen, Hebammen, Kin- derärzte, Zahnärzte und Sozialen Dienste der Stadt Dormagen sowie der Projekt- koordination durch das Gesundheitsamt des Rhein-Kreis Neuss konnten Ressourcen ge- bündelt und das Projekt so effizient und kostengünstig realisiert werden“, berichtet Bartsch. „Herzstück ist die umfassende Auf- klärung junger Eltern rund um das Thema Zahngesundheit in der Schwangerschaft und im Kleinkindalter.“ Das Programm basiert auf einer niedrig- schwelligen Komm-Struktur, gekoppelt an eine aufsuchende Betreuung. Auch hier dient das zahnärztliche Team als Türöffner hinein in die Familien. Beginnend bei den werdenden Müttern und fortlaufend in den ersten Lebensjahren des Kindes erfolgt eine umfassende Aufklärung zum Thema „Early Childhood Caries“ (ECC). Das Ganze baut auf persönlichen Informations- impulsen auf. Dabei kommen verschiedene Materialien zum Einsatz: Flyer mit Tipps für die Schwangerschaft und zur Vermeidung von ECC, eine Terminvereinbarungskarte, ein zahnärztlicher Vorsorgepass und ein Poster. Die Medien wurden so gestaltet, dass sie einen hohen Wiedererkennungs- wert haben und durch große Bebilderung und kurze Texte allgemein verständlich sind. Durch die häufigen persönlichen Beratungen konnten Verhaltensänderungen in den beteiligten Familien erreicht werden. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert von der Universität Marburg. Bartsch: „Durch wiederholte persönliche Informationsimpulse unseres interdiszipli- nären Teams konnten nach Einführung des Programms im Jahr 2011 der mittlere dmf-t-Wert sowie die Fälle mit schwerer frühkindlicher Karies (S-ECC) bei den 3- bis 4-jährigen Kindern halbiert werden. So kommt das Projekt den Kleinsten und Schwächsten in unserer Gesellschaft zugute.“ Außerdem gilt das Programm, das sich als ein Baustein zur Verringerung gesundheit- licher Ungleichheiten in der Bevölkerung versteht, als kostengünstig: Die Präventions- arbeit ist auf mehrere Akteure aufgeteilt, die alle bereits im Gesundheitswesen mit dieser Aufgabe betraut sind. pr Foto: Zahnärztlicher Dienst Dormagen ... Dr. Michael Schäfer, Bundesvorsitzen- der der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes: Welche Herausforderungen muss der zahnärztliche Öffentliche Ge- sundheitsdienst meistern, um prä- ventive Projektarbeit in Problem- regionen umzusetzen? Die Zahnärztlichen Dienste der Gesund- heitsämter nehmen bevölkerungs- medizinische Aufgaben wahr. Sie erbringen ihre Leistungen überwiegend im Setting Kita und Schule. Präventive Pro- jektarbeit kommt dann noch hinzu. Das heißt, sie erfolgt zusätzlich zu unserer eigent- lichen Aufgabe: eine nieder- schwellige und die Fläche umfas- sende kontinuierliche zahnmedizinische Basisprävention. Welchen Chancen bietet Projekt- arbeit? Projektarbeit modellhaft einzubeziehen hat sich bewährt. Damit können neue Ko- operationen (zum Beispiel Frühe Hilfen), Partnerschaften (Sozialarbeit, Pädagogik) und Versorgungskonzepte erprobt oder auch bestimmte Themen bearbeitet werden. Und wissenschaftlich evaluierte Projekte haben bei erfolgreichem Verlauf die Chance, als Programm aufgelegt, das heißt, verstetigt zu werden. Für welche der hier vorgestellten Projekte gilt das konkret? Das im Land Brandenburg aus der Gruppenprophylaxe heraus entwickelte Programm „Kita mit Biss“ sowie das Pro- gramm „Zukunft für Kin- der“ in der Landeshaupt- stadt Düsseldorf haben inzwischen den Schritt aus einem Projekt zu einem nicht mehr wegzudenkenden Pro- gramm geschafft. Voraussetzungen dafür waren Analysen aus der Gesundheits- berichterstattung, interdisziplinäres kon- zeptionelles Arbeiten mit Partnern ausge- richtet auf Nachhaltigkeit, Engagement, finanzielle Klarheit, der politische Konsens – und: ganz wichtig – der klare Wille aller Beteiligten zum Erfolg. ? ? ? Drei Fragen an ... Foto: privat 24 Politik

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