Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09
zm 108, Nr. 9, 1.5.2018, (942) Es lässt sich zusammenfassen, dass aufgrund der unzureichenden Aufklärung weder bei A. noch bei B. ein „Informed consent“ (im Sinne einer rechtskräftigen Einwilligung der Patientin in die vorgeschlagene Therapie) zustande gekommen wäre. Nicht-Schadens-Prinzip (Non-Malefizienz): Im Zusammenhang mit einer prothetischen Planung ist bei diesem Prinzip der Begriff der Tertiärprophylaxe (Prophylaxe-Definition der WHO) wichtig. Dabei ist beim Ersatz von fehlenden Zähnen dafür Sorge zu tragen, dass ein Erhalt der vorhandenen oralen Strukturen und keine oder eine möglichst geringe iatrogene Schädigung erfolgt. Der zu erwartende Gesundheitsgewinn sollte deutlich höher sein als der durch die zahn- ärztliche Maßnahme zugefügte iatrogene Schaden. Nach dieser Definition sind das Entfernen von teilweise wertvollen Zähnen und die Versorgung mit einer Totalprothese abzulehnen. Die Teleskopversorgung dürfte dieses Prinzip in Anbetracht des Erhalts der oralen Strukturen am ehesten erfüllen, obwohl hier der Gesundheitsgewinn der „festsitzenden Rehabilitation“ fehlt. Diesen erzielt man mit dem „All-on-4“-Konzept, allerdings mit dem Nachteil, gesunde Zähne zu entfernen. Verfolgt man das Konzept der implantatgetragenen Brücken mit Sinuslift, erhält man die Zähne und erzielt einen maximalen Gesundheitsgewinn, ist aber im Bereich der Sinuslift-Operationen relativ invasiv. Ärztliche Verpflichtung auf das Wohl des Patienten (Benefizienz-Prinzip): Hier ist zu fragen, welche der zahnärztlichen Therapieoptionen dem Wohl der Patientin ammeisten dient. Es liegt auf der Hand, dass auch hier das Konzept der Totalprothese so- fort ausscheidet. Bezüglich Zahnerhalt und geringer Invasivität ist die Versorgung mit einer teleskopierenden Prothese sicherlich sinnvoll. Allerdings widerspricht dies gege- benenfalls den Vorstellungen einer guten mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität der Patientin. Diese würde eher mit einer festsitzenden Versorgung erreicht – umsetz- bar sowohl mit dem „All-on-4“-Konzept als auch mit den implantatgetragenen Brücken mit Sinuslift. Hier müssen allerdings auch die Ästhetik, die Funktion und die Langzeit- bewährung der Therapieform berücksichtigt werden. Mit dem „All-on-4“-Konzept ist es möglich, eine gute „weiße Ästhetik“ und eine gute Kaufunktion zu erzielen. Dabei wird die gesamte Kaubelastung auf insgesamt vier Implantate übertragen und die circa neun- fach bessere Taktilität der Zähne im Ver- gleich zu den Implantaten geht verloren. Auch wird der sichtbare Gingivaanteil bei diesem Versorgungskonzept aufgrund der meist durchgeführten vertikalen Knochen- reduktion mittels Kunststoff beziehungs- weise Keramik ersetzt. Bei dem Behandlungskonzept mit zahn- getragenen Kronen in der Front und im- plantatgetragenen Brücken im Seitenzahn- bereich mit Sinuslift kann hingegen bei optimaler Vorbehandlung eine sehr gute Ästhetik und eine sehr gute Kaufunktion erzielt werden. Außerdem werden durch den Zahnerhalt die Kaukräfte neben den Implantaten auch auf die Zähne verteilt, und somit wird eine verbesserte Taktilität des gesamten Zahnersatzes erzielt. Durch den Erhalt der natürlichen Zähne und deren Papillen kann höchstwahrscheinlich auch ein besseres Ergebnis im Bereich der „roten Ästhetik“ erreicht werden. Gerechtigkeit: Hierbei sind die initialen Therapiekosten gegen die Langzeitbewährung und den Nutzen der Versorgung für den Patienten abzuwägen. Die höchsten Therapiekosten entstehen bei der zahn- und implantatgetragenen Kronen- und Brückenversorgung mit Sinuslift, ge- folgt von der „All-on-4“-Lösung. Geringere Kosten werden bei der teleskopverankerten Prothese auftreten. Die am besten wissen- „Die Entscheidung für eine Therapieform durch die Patientin kann nur auf der Grundlage einer umfassenden und fachkompetenten Aufklärung erfolgen.“ Foto: iStockphoto.com - danchooalex Haben Sie in der Praxis eine ähnliche Situation oder andere Dilemmata erlebt? Schildern Sie das ethische Problem – die Autoren prüfen den Fall und nehmen ihn gegebenenfalls in diese Reihe auf. Kontakt: Prof. Dr. Ralf Vollmuth vollmuth@ak-ethik.de Schildern Sie Ihr Dilemma! A UFRUF 46 Die klinisch-ethische Falldiskussion
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