Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09
zm 108, Nr. 9, 1.5.2018, (974) meist in Kombination mit dem Vasokon- stringens Epinephrin registriert, was auf die breite Anwendung des Präparats zurückzu- führen ist. Das gemeldete UAW-Spektrum umfasste allergische Unverträglichkeits- reaktionen wie lokale Schwellungen und Rötungen, Emphyseme, Herz-Kreislauf-Pro- bleme mit Herzfrequenz- und Blutdruck- anstieg bis hin zu einem Angina-pectoris- Anfall. Ansonsten wurden mittelschwere zentralnervöse Symptome (wie zum Beispiel Kopfschmerzen, systemischer Tremor, Schwindel, Unruhe und Druckgefühl im Kopf) gemeldet, die mit der Gabe von Lokal- anästhetika in Zusammenhang stehen kön- nen und am ehesten für einen zentralnervös toxischen Effekt des Präparats sprechen, der oftmals auf eine trotz sorgfältiger Aspiration unbemerkte akzidentelle intravasale Appli- kation beziehungsweise auf eine erhöhte Resorptionsgeschwindigkeit des Lokalanäs- thetikums zurückgeführt werden kann. Zen- tralnervöse Effekte nach Lokalanästhetika- Applikation sind dosisabhängig: Zunächst kommt es zu exzitatorischen zentralen Symptomen wie Erregung, Unruhe, Schwin- del, akustischen und visuellen Störungen, perioralem Kribbeln, einer verwaschenen Sprache, Übelkeit, Erbrechen, Zittern und Muskelzuckungen als Vorzeichen eines dro- henden Krampfanfalls. Wir empfehlen, bei einem erneuten zahnärztlichen Eingriff bei betroffenen Patienten die zu applizierende Gesamtdosis niedriger zu wählen. Insgesamt werden Lokalanästhetika sicher und ohne größere Komplikationen angewendet. Sonstige Medikamente Der Anteil der Meldungen in der Gruppe „Sonstige“ liegt im Jahr 2016 mit 16 Pro- zent nahezu gleichauf mit dem Jahr 2014 (17 Prozent ). In dieser inhomogenen Gruppe werden alle Präparate zusammengefasst, die primär oftmals nicht vom Zahnarzt ver- ordnet wurden. Dies erklärt sich aus der Tat- sache, dass eine vom Zahnarzt beobachtete unerwünschte Arzneimittelwirkung nicht immer eindeutig dem vom Zahnarzt appli- zierten Präparat zuzuordnen ist und daher die vom Haus- oder Facharzt verschriebene Medikation ebenfalls mitgemeldet wird. Amlodipin: Neben vereinzelten Meldungen mit nicht gesichertem Kausalzusammenhang wurden vier Fälle typischer Gingivahyperplasien unter Therapie mit Amlodipin gemeldet. Das his- tologische Bild stellt eine exzessive Vermeh- rung von Fibroblasten und eine Steigerung der Kollagensynthese im Bereich der Gingiva dar. Vor allem in Gegenwart eines bakteriellen Entzündungsprozesses der Gingiva können Calciumkanalblocker die Kollagenproduktion durch Fibroblasten erhöhen und gleichzeitig den Abbau von Kollagen verlangsamen, was zu einer gingivalen Hypertrophie führt. Ins- besondere bei Calciumkanalblocker-indu- zierter Gingivahypertrophie scheint der Ent- zündungsprozess pathophysiologisch eine wesentliche Rolle zu spielen [Mishra, 2011; Sucu, 2011]. Der Zusammenhang zwischen einer Therapie mit einem Calciumkanal- blocker und dem Parodontium ist in der wissenschaftlichen Literatur schon lange bekannt und sehr gut beschrieben. Chlorhexidingluconat: Ferner wurden 2016 gleich in mehreren Fäl- len allergische Reaktionen auf Chlorhexidin beschrieben. Es ist seit Längerem bekannt, dass der Wirkstoff Chlorhexidingluconat seltene schwere allergische Reaktionen bis hin zur Anaphylaxie hervorrufen kann. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin- produkte (BfArM) hat bereits im September 2013 eine entsprechende Warnung heraus- gegeben. Darin war auf die Gefahr von Überempfindlichkeitsreaktionen unter Chlorhexidin hingewiesen worden. Zum damaligen Zeitpunkt lagen dem BfArM 147 Berichte aus Deutschland über anaphylak- tische Reaktionen im Zusammenhang mit der Anwendung von Chlorhexidin vor, die meisten davon bei der Anwendung von Chlorhexidin-haltigen Mundspüllösungen. Auch die US-amerikanische FDA warnt inzwischen vor schweren allergischen Reak- tionen unter Chlorhexidin. Zahnärzte sollten bei ihren Patienten grundsätzlich vor jeder Verordnung von Chlorhexidin erfragen, ob jemals eine allergische Reaktion auf Chlor- hexidin aufgetreten ist. Im positiven Fall kann zum Beispiel auf Octenidin als Antiseptikum ausgewichen werden. Faktor-Xa-Antagonisten, NOAKs: In der UAW-Statistik der AKZ taucht im Jahr 2016 nur eine einzige Meldung zur Gruppe der neuen gerinnungshemmenden Wirk- stoffe auf, zu denen die neu entwickelten, hochselektiven Faktor-Xa-Antagonisten (Ri- varoxaban, Apixaban und Edoxaban) sowie der Thrombinantagonist Dabigatran gehö- ren. Unter Rivaroxaban wurde eine massive Nachblutung sechs Tage nach Extraktion gemeldet. Es ist aber davon auszugehen, dass in der zahnärztlichen Praxis weit mehr Nachblutungen unter Behandlung mit einem der neuen oralen Antikoagulantien auftreten. Diese werden aber offensichtlich nicht an die AKZ, sondern höchstwahrscheinlich an die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gemeldet. Unter Federführung der DGZMK wird derzeit eine AWMF S3-Leitlinie zum zahnärztlichen Umgang mit Patienten unter Antikoagulantientherapie entwickelt (siehe: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ anmeldung/1/ll/083–018.html) . Abbildung 3 Quelle: AKZ Organsysteme, die von UAWs betroffen sind Haut 46% Herz-Kreislauf 8% Magen-Darm 18% übrige 12% ZNS 16% 78 Zahnmedizin
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