Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09

zm 108, Nr. 9, 1.5.2018, (976) über eine neuromuskuläre Blockade und Hem- mung der Cholinesterase zu einer spastischen Lähmung in der Muskulatur des Parasiten. Die gemeldeten unerwünschten Wirkungen in Form von gastrointestinaler Unverträglichkeit und leichten zentralnervösen Wirkungen sind über den Wirkmechanismus der Substanz gut erklärbar. Das zentral wirksame Anti- hypertensivum Moxonidin bindet im Hirn- stamm selektiv an Imidazol-Rezeptoren vom Typ 1. Diese Imidazol-Rezeptoren liegen kon- zentriert im rostralen ventrolateralen Anteil der Medulla oblongata, einem Areal das eine entscheidende Bedeutung für die zentrale Regulation der peripheren Sympathikus- Aktivität hat. Ein Kausalzusammenhang mit Gingivitis wurde bisher in der wissenschaft- lichen Literatur nicht beschrieben und er- scheint unwahrscheinlich. Thiazide: Die unter Einnahme des Thiazid-Diuretikums Hydrochlorthiazid beschriebenen Sehstörun- gen können mit der Einnahme des Präparats in Zusammenhang stehen und können für eine relative Überdosierung sprechen. Eisen(II)glycinsulfat: Die hierfür beschriebene Hypersensibilität aller Zähne kann indirekt mit der Einnahme des Medikaments in Zusammenhang stehen. Verfärbungen der Zähne können bei einer Behandlung mit oralen Eisenpräparaten auf- treten. Entsprechend der wissenschaftlichen Literatur können sich diese Zahnverfärbungen nach Absetzen des Arzneimittels spontan zurückbilden oder müssen durch Verwendung einer schleifenden Zahnpasta oder durch eine professionelle Zahnreinigung entfernt werden. Möglicherweise ist die beschriebene Hypersensibilität reaktiv durch verstärkte Zahnreinigungsmaßnahmen entstanden. Organbezogenheit der Nebenwirkungen Die mit Abstand meisten der gemeldeten unerwünschten Arzneimittelwirkungen im Jahr 2016 manifestierten sich mit 46 Prozent an Haut und Schleimhäuten, meist in Form von allergischen Exanthemen, Urtikaria, Schwellungen, Juckreiz und Ödemen. Mit 18 Prozent am zweithäufigsten manifestierten sich UAWs am beziehungsweise im Gastro- intestinaltrakt in Form von Bauchschmerzen, Übelkeit und Diarrhoe (Abbildung 3). Beein- trächtigungen des Gastrointestinaltrakts wurden hauptsächlich im Zusammenhang mit Antibiotikatherapie und hier insbeson- dere unter Behandlung mit Amoxicillin und Clindamycin beobachtet. Leider ist das gastro- intestinale Verträglichkeitsprofil von Amoxi- cillin nur unwesentlich besser als das von Clindamycin. Um die gastrointestinale Ver- träglichkeit zu verbessern, sollte die Einnahme der Medikation mit ausreichend Flüssigkeits- zufuhr (mindestens 200 bis 250 ml Wasser) und zu den Mahlzeiten erfolgen. Über ZNS- Störungen wurde 2016 in 16 Prozent der Fälle berichtet, wobei diese am häufigsten im Zusammenhang mit Lokalanästhetika beziehungsweise antibiotischer Therapie beschrieben wurden. Während unter Therapie mit Lokalanästhetika meistens eine relative Überdosierung ursächlich für zentralnervöse Nebenwirkungen ist, können Antibiotika per se neurotoxische Nebenwirkungen verursachen, die häufig fehlgedeutet werden. Während Penicilline, Cephalosporine und Chinolone hauptsächlich über eine Inhibition der GABA A - Rezeptoren neurotoxisch wirken, ist der Mechanismus für Metronidazol, Makrolide, Clindamycine und Tetrazykline weitgehend ungeklärt [Stahlmann, 2016]. Vorhandene neuropsychiatrische Grunderkrankungen, eine entsprechende Begleitmedikation sowie eine vorhandene Niereninsuffizienz bei renal eliminierten Antibiotika sind als zusätzliche Risikofaktoren anzusehen. Eine Beachtung dieser Gegebenheiten kann zu einer insge- samt besseren Verträglichkeit der Antibiotika- therapie beitragen. Unerwünschte Herz-Kreis- lauf-Effekte machten 2016 nur einen Anteil von acht Prozent am Gesamtanteil aller UAW- Meldungen aus, wobei Kreislaufprobleme öfter im Zusammenhang mit der Anwendung von Antibiotika gesehen wurden und am ehesten im Zusammenhang mit therapie- bedingten Durchfällen und entsprechenden Flüssigkeitsverlusten zu interpretieren sind. Resümee Das Spektrum der Arzneimittel, die im Zusammenhang mit UAW-Meldungen an die AKZ genannt werden, umfasst haupt- sächlich Analgetika, Lokalanästhetika und Antibiotika und hat sich in den vergangenen zehn Jahren nicht verändert. Auch im Jahr 2016 verursachte wieder die Wirkstoff- gruppe der Antibiotika mit Abstand am häufigsten eine UAW-Meldung an die Arzneimittelkommission Zahnärzte. Positiv hervorzuheben ist die Tatsache, dass erst- mals Clindamycin die UAW-Statistik nicht mehr als Spitzenreiter anführt, wobei die Gesamtanzahl zahnärztlicher Verordnungen für Clindamycin im Meldezeitraum leider nicht rückläufig ist. Die gemeldeten Neben- wirkungen waren insgesamt leicht bis mittelgradig ausgeprägt. Für alle UAWs wurde eine restitutio ad integrum ver- zeichnet. Schwere Verläufe wurden nicht beobachtet. Prof. Dr. med. Christoph Schindler Medizinische Hochschule Hannover Zentrum für Pharmakologie & Toxikologie Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover Dr. med. dent. Jens Nagaba Bundeszahnärztekammer Chausseestr. 13 10115 Berlin Prof. Dr. med. Ralf Stahlmann Charité Universitätsmedizin Berlin Institut für Klinische Pharma- kologie und Toxikologie Luisenstr. 7 10117 Berlin Eine tabellarische Zusammenstellung der UAW-Meldungen finden Sie als Online- Addendum unter: www.zm-online.de Porträt: privat Porträt: BZÄK-Pietschmann Porträt: privat Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 80 Zahnmedizin

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