Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 09

zm 108, Nr. 9, 1.5.2018, (990) Wenn ich meine Bemühungen der letzten Monate betrachte, Freiberuflern unter be- sonderer Berücksichtigung von Zahnärzten und Ärzten bei der Strukturierung ihres Ver- mögens zu helfen, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Was ist passiert? Ein erfolgreiches Arztehepaar besitzt ein Ver- mögen von zwei Millionen Euro. Die eine Million besteht aus dem Barwert der Alters- renten und dem Verkehrswert des Eigen- heims. Die andere Million umfasst die An- leihen und Aktien, die im Depot einer Privat- bank liegen. Dessen Verwalter haben dem Ehepaar in den letzten Jahren fast 100.000 Euro abgeknöpft, über die Gegenleistungen der smarten Herren hüllen wir uns besser in Schweigen. Ich habe den beiden den Vorschlag gemacht, die „flüssige“ Million künftig zu 25 Prozent in Anleihen und zu 75 Prozent in Aktien anzulegen. Außer- dem sollten die Verpackung und die Lagerung geändert werden. Die Anleihen und die Aktien werden in drei Index- fonds bei einer Direktbank verwahrt, um die bisherige Streuung zu erhöhen und die jährlichen Kosten von 1,5 auf 0,3 Prozent zu senken. Das sind doch handfeste Gründe, um die Gläser klingen zu lassen, nicht wahr? Leider kann sich das Ehepaar meiner Ansicht (noch) nicht anschließen. Weshalb? Die An- leger wollen wissen, wie hoch die jährlichen Dividenden der Aktien-Index-Fonds sein werden. Ich konnte die Frage nicht beant- worten und werde die Antwort auch in Zu- kunft nicht liefern können, weil ich nicht in die Zukunft schauen kann und somit nicht weiß, welche Unternehmen in den nächsten Jahren wie viel Geld ausschütten werden. Über die Offenheit meiner Unwissenheit zogen die Anleger ihre Augenbrauen hoch. Und meine Bemerkung, die Höhe der Divi- dende spiele keine Rolle, solange die Rendite in Ordnung sei, nahm die Dame des Hauses mit hörbarem Räuspern zu Kenntnis. Neu- gierig wie ich bin, wollte ich natürlich wissen, was zu diesem Unmut geführt hat – und die knappe Antwort lautete: Die Dividenden sind unser Urlaub! Das muss man sich unbedingt auf der Zunge zergehen lassen! Da besitzt ein Paar zwei Millionen und richtet seine Urlaube nach der Höhe der Dividenden aus. Das darf doch nicht wahr sein! Oder finden Sie es in Ordnung, im Watt wandern zu gehen, weil die Commerzbank keine Dividende ausgeschüttet hat, und nur dann auf die Seychellen zu fliegen, wenn Google hohe Dividenden bezahlt hat? Wenn bei Ihnen die Gestaltung der Urlaube nach demselben Muster abläuft, dann sollten wir, liebe Leserinnen und Leser, kräftig in die Hände spucken, damit Sie so schnell wie möglich aus dieser Geldfalle herauskommen. Der Ruf nach hohen Dividenden ist in meinen Augen grober Unfug. Sie legen 750.000 Euro in Aktien an. Da mag es für Sie ja erfreulich sein, jährliche Dividenden in Höhe von 4 Pro- zent oder 30.000 Euro zu bekommen, weil das genau für drei Urlaubswochen auf hoher See reicht. Ich bin aber der Meinung, dass es viel wichtiger ist, dass die Rendite der Aktien möglichst 7 oder 8 Prozent pro Jahr beträgt. Falls Sie das ähnlich sehen, ist es doch egal, ob die Rendite zu 100 Prozent aus Dividenden oder zu 30 Prozent aus Erträgen und zu 70 Prozent aus Kursgewinnen besteht. Wichtig ist allein, dass sich die Aktien mit 7 bis 8 Pro- zent pro Jahr rentieren. Ob Sie den Urlaub mithilfe von Dividenden oder Kursgewinnen bezahlen, ist völlig gleichgültig. Sie verteilen die Dreiviertelmillion mithilfe von drei Indexfonds zu jeweils 40 Prozent auf amerikanische und europäische Firmen und zu 20 Prozent auf asiatische Unterneh- men. Mit diesem Schlüssel buchen Sie jedes Jahr für 30.000 Euro einen standesgemäßen Urlaub. Es sollte Ihnen egal sein, was an den Börsen und auf den Kapitalmärkten passiert. Genauso wenig sollten Sie auf das Erträgnis- konto schauen, ob genügend Geld für den Urlaub vorhanden ist. Sie werden den Lauf der Welt nicht beeinflussen. Ich will Ihnen das Prinzip erläutern: Nach einem Jahr stehen die Indexfonds bei 780.000 Euro, und auf dem Erträgniskonto liegen 10.000 Euro. Bei diesen „mickrigen“ Dividenden dürften Sie nicht in die Ferne reisen. Ich rate Ihnen jedoch, die Summe von 790.000 Euro zu sehen, davon 30.000 Euro abzuziehen und die erste Reise zu buchen. Die restlichen 760.000 Euro bleiben zu zwei- mal 40 Prozent und einmal 20 Prozent in den drei Indexfonds. Abweichungen zu den tatsächlichen Werten werden durch Käufe und Verkäufe ausgeglichen. Was werden Sie machen, wenn das Depot am Ende des zweiten Jahres auf 700.000 Euro „abgesoffen“ ist? Werden Sie zu Herztropfen greifen und mit dem Hund spazierengehen, um über den Verlust hinwegzukommen? Oder werden Sie zuerst, wofür ich plädiere, und jetzt erst recht, den zweiten Urlaub für 30.000 Euro buchen, und danach das lädierte Depot ausrichten: 40 und 40 und 20 Prozent? Im dritten Jahr klettern das Depot und das Erträgniskonto auf 720.000 Euro. Außerdem haben Sie noch 100.000 Euro geerbt. Was werden Sie zuerst machen? Na also, es geht doch! Sie buchen die dritte Reise für 30.000 Euro. Bitte werden Sie aber nicht übermütig, weil noch 790.000 Euro auszurichten sind. Nun wissen Sie, wie der Hase läuft, und ich wünsche Ihnen von Her- zen, dass Sie auf diese Weise steinalt werden. Oder gefällt Ihnen die Aussicht besser, dass zu gegebener Zeit alle Welt auf Ihrem ge- meinsamen Grabstein lesen wird: Dividende war ihr letztes Wort! Volker Looman zum Thema Aktienrendite Keine Dividende – kein Urlaub? Der Autor ist freiberuf- licher Finanzanalytiker in Stuttgart. Jede Woche veröffentlicht er in der FAZ einen Aufsatz über Geldanlagen. Außerdem unterstützt er Zahnärzte auf Honorarbasis bei der Gestaltung des Privatvermögens. www.looman.de Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber. 94 Praxis

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