Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10
zm 108, Nr. 10, 16.5.2018, (1058) Prothesen, die 24 Stunden im Mund blie- ben, ohne je gereinigt worden zu sein; ent- zündete Druckstellen; unbehandelte Paro- dontopathien und Sekundärkaries – was die Behandler zum Teil vorfanden: schockierend. Der Mund? Im Heim Terra incognita. „Der Mund war Terra incognita“, bestätigt Eßer. Bei der Arbeit im Heim war Improvi- sation gefragt: Behandlungsstühle gab es nicht, auch eigene Räume fehlten in der Re- gel, weshalb die Zahnärzte ihre Instrumente mitbrachten und die Einrichtung – Tabletts, das Bett, Tische und auch normale Stühle – einsetzten, um wenigstens die Notfallver- sorgung zu gewährleisten. „Ich habe den allergrößten Respekt für die Kollegen, die in ihrer Freizeit beziehungsweise nach Feier- abend in die Heime gefahren sind, um dort die Patienten zu betreuen. Hier herrschte aufgrund des Pflegedefizits in den Heimen absoluter Versorgungsmangel“, hebt Eßer hervor. „Allerdings ist die Versorgung alter, kranker und schwacher Menschen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – nicht die eines einzelnen Berufsstands, der diese Arbeit im Übrigen ehrenamtlich auch gar nicht alleine schultern kann.“ Die Pflege- bedürftigen waren dieser Situation hilflos ausgeliefert: Hatten sie Schmerzen, konnten sie diese oft nicht artikulieren. Sie mussten zurechtkommen – ohne eine Untersuchung der Mundgesundheit und ohne regel- mäßige Zahnpflege. Mit den Paragrafen 87 2i (2012) und 2j (2014) wurde im Rahmen der aufsuchenden zahnmedizinischen Be- treuung von Pflegebedürftigen dieser Miss- stand behoben: Insofern wurde zuerst der kurative Teil verankert, mit 22a folgt jetzt der präventive Teil. Warum das den ‚“normalen‘“ Zahnarzt inte- ressieren sollte? „§ 22a ist ein Riesen-Thema für den gesamten Berufsstand, weil diese Patienten jetzt auch Anspruch auf die neuen Leistungen in der Zahnarztpraxis haben“, erklärt Hendges eindringlich. Ein Blick in die DMS V belegt: Die heute 75- bis 100- Jährigen haben eine Mundgesundheit wie vor zehn Jahren die 50-Jährigen. Die Folge ist eine Verschiebung der Leistungsinan- spruchnahme. Hendges: „Wichtig ist, dass wir diese Patienten, die sich im Übergang zur Immobilität befinden, vorher noch „§ 22a ist ein Riesen-Thema für den gesamten Berufsstand, weil diese Patienten jetzt mit den genannten Leistungsansprüchen in die Praxen kommen.“ Martin Hendges, stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der KZBV Foto: KZBV/Baumann Der Fall der 98-Jährigen ist ein Positivbeispiel: Ihre Prothese sitzt perfekt. Nachdem sie sich vom Umheben auf den Behandlungsstuhl erholt hat, kommt die Entwarnung. „Prima, überhaupt keine Druckstellen“, sagt Strenger laut und überdeutlich – eine Botschaft, die Frau M. dank Hörgerät versteht. 34 § 22a Fortsetzung des Artikels auf Seite 38
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