Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 108, Nr. 10, 16.5.2018, (1060) Herr Dr. Strenger, ich habe gerade erlebt, wie zeitintensiv ein einfacher Recall mit einer Demenzpatientin sein kann. Wie ist so ein Kontrolltermin für die Praxis darstellbar? Dr. Torsten Strenger: Das darf man natürlich nicht rein betriebswirtschaftlich sehen. Die Behandlung von Patienten mit Handicap – und dazu gehören die älteren Patienten in Seniorenheimen – ist eine Herausforderung für das ganze Team. Alle Mitarbeiter müssen geschult sein und zum Beispiel die Beson- derheiten bei Patienten mit Demenz kennen und einordnen. Ein bisschen Empathie ge- hört dazu und dann tut man es – und das mag jetzt hochgestochen klingen – einfach für die Patienten. Wenn man sich anschaut, wie schnell die Patienten ihre Zähne verlieren, sobald sie in einem Pflegeheim leben und nicht mehr regelmäßig zur Prophylaxe in die Praxis kommen können – das ist schon sehr traurig. ? Was erleben Sie denn in den Heimen? In den meisten Heimen und Einrichtungen für Pflegebedürftige gibt es kein spezielles Behandlungszimmer. Wir untersuchen die Patienten zumeist in ihren Wohnungen im Heim. Alleine die Kopflagerung stellt ein Problem dar. Dies ist auch der Hauptgrund, warum wir diese Patienten – soweit möglich – in unsere Praxis bringen oder abholen lassen. Leider sehen wir häufig neben Druckstellen durch Prothesen und Abszessen auch hohen Behandlungsbedarf an den vorhandenen Zähnen. Eine rönt- genologische Untersuchung ist oft zwin- gend notwendig, und dies geht nur in der Praxis. ? Zahnarzt Dr. Torsten Strenger „Man braucht einen Fahrstuhl. Mehr nicht.“ Wenn Marianne M. auf dem Behandlungsstuhl sitzt, gibt es immer was zu lachen. Die 98-jährige Demenzpatientin hat Humor und trägt eine perfekt angepasste und gepflegte Vollprothese. Zahnarzt Dr. Torsten Strenger weiß aber auch: Der Alltag sieht oft anders aus. Ein Gespräch über Zeitmangel, Möglichkeiten der Unterstützung des Pflegepersonals und die Chancen, die mit der aktuellen Gesetzgebung verbunden sind. Die ersten Verbesserungen für die Ver- sorgung dieser Patienten brachten § 87 2i und 2j in den Jahren 2012 und 2014. Wie sah damals Ihr Engage- ment aus? Damals hatte ich kein festes Programm, habe das aber natürlich im Rahmen der Patientenbetreuung gemacht. Das war so- gar nochein bisschen intensiver als heute, wir warenwirklich häufiger in Altersheimen als jetzt. Wie kommt das? Man muss sagen, dass es in den vergan- genen Jahren hier einige Wechsel in den Heimleitungen gegeben hat und mancher- orts einfach die Strukturen wieder aufge- baut werden mussten. Ein langwieriger Pro- zess, der viel Zeit kostet – und Engagement von beiden Seiten. Gab es denn schon Verträge zwischen Zahnarzt und Heim? Nein, das waren keine echten Kooperations- verträge, sondern rein mündliche Abkommen. Bei einem Heim direkt in der Nähe lief die Zusammenarbeit etwa über den persönlichen Kontakt zu einer Betreuerin, die in dem Haus sehr gut vernetzt war – und die zahn- medizinische Versorgung dieser Patienten- gruppe aus Zuneigung zu den Bewohnern zu ihrem Thema gemacht hat. Sie haben Ihre Praxis 2015 um 300 Quadratmeter erweitert, das Team um zwei Zahnärzte und eine Vielzahl von Mitarbeitern aufgestockt. Hat sich damit auch das Praxiskonzept mit Blick auf die Behandlung pflege- bedürftiger Patienten verändert? ? ? ? ? Absolut. Der Umbau hat uns sehr viele Vor- teile hinsichtlich der Logistik gebracht, nicht nur für diese speziellen Patienten. Aber wir haben seitdem extra große Parkplätze direkt vor der Tür, die für Krankentransporte zur Verfügung stehen – und einen Aufwachraum realisiert. Pflegebedürftige haben Sie aber auch schon vorher in der Praxis behandelt? Genau, das war auch schon vorher möglich. Einen ebenerdigen Fahrstuhl hatten wir von Anfang an – und das Engagement, für diese Patientengruppe etwas zu tun – schließlich werden wir alle älter! Welche Bedeutung hat der zum Juli in Kraft tretende §22a aus Ihrer Sicht? Nun, die Berichterstattung zum Thema erzielt in der Kollegenschaft schon eine Breitenwir- kung. Unter Kollegen wird die Versorgung und Prävention bei dieser Patientengruppe intensiv diskutiert. Damit ist die Situation nach meinem Empfinden ganz anders als ? ? Zahnarzt Dr. Torsten Strenger ist seit 1998 in eigener Praxis niedergelassen und betreibt seit 2003 mit seiner Schwester Dr. Heike Strenger gemeinschaftlich eine Zahnarztpraxis in der Dortmunder Innenstadt. Seit 2015 mit acht Behandlungseinheiten auf 600 Quadratmetern und einem festen Team von vier Zahnärzten und knapp 20 weiteren Mitarbeitern. Foto: zm_mg 36 § 22a

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