Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 108, Nr. 10, 16.5.2018, (1096) Die Schneide- und Eckzähne des Oberkiefers genießen in der menschlichen Kultur große Aufmerksamkeit. Sie sind nicht nur aus funk- tionellen Gründen von Bedeutung, sondern auch als Symbol von Schönheit und Vitalität. Je nach kultureller Herkunft werden die Schneidezähne des Oberkiefers sogar farb- lich oder in der äußeren Form verändert, um die Aufmerksamkeit für das Individuum zu erhöhen [Agbor et al., 2015]. Der Verlust eines oder mehrerer Frontzähne oder eine atypische farbliche Veränderung führen des- halb bis heute zu einer sozialen Benachteili- gung [Atzlinger, 2011]. Kariesfolgeerkrankungen und traumatische Verletzungen sind die häufigsten Ursachen für eine endodontische Therapie. Insbesondere traumatische Verletzungen im Kopfbereich führen oft zu Verletzungen der Frontzähne mit pathologischen Veränderungen der Pulpa. Konkussions- und Dislokationsverletzungen können bei Erhalt der Pulpa und fehlender mikrobieller Infektion zu einer raschen Pro- duktion von irregulärem Tertiärdentin (Os- teoid) führen [Six et al., 2001; Mjör, 2002; Ørstavik & Pitt-Ford, 2008]. Degenerative und reparative Reaktionen der Pulpazellen können auch als Folge von Karies zur Bil- dung von Tertiärdentin, Dentikeln und ver- stärkter Mineralisation oder Fibrosierung der Pulpa beitragen. Dies kann sowohl das Auf- finden des Wurzelkanaleingangs als auch das Erschließen und Erweitern des Wurzelkanals erheblich erschweren (Abbildung 1). 25 Prozent aller Wurzelkanalbehandlungen finden an Frontzähnen statt. Im Vergleich zu Molaren und Prämolaren werden an Frontzähnen danach häufiger Revisionen, Wurzelspitzenresektionen und Extraktionen nötig [Rädel et al., 2014]. Trotz scheinbar einfacher Anatomie treten im Verlauf von Wurzelkanalbehandlungen Komplikationen auf, die wiederholte endodontische oder endo-chirurgische Therapien nach sich zie- hen können – mit unsicherer Prognose (Ab- bildung 2). Eine möglicherweise verkannte Ursache ist die nicht immer leicht zu erken- nende variable Anatomie des Wurzelkanal- systems und die im Verlauf der Alterung von Pulpa und Dentin sich vollziehenden Ver- änderungen dentaler Gewebe [Ørstavik & Pitt-Ford, 2008]. Oberkiefer-Frontzähne sind grundsätzlich einwurzlig. Abweichungen treten in nur seltenen Fällen auf. Der Querschnitt von Wurzel und Wurzelkanal variiert von koronal nach apikal. Während der Wurzelkanalquer- schnitt am Boden der Pulpakammer eine rundliche Form aufweist, kann er sich im weiteren Verlauf oval erweitern und sich in Richtung palatinal ausdehnen. Der durch den Dentinüberhang instrumentell meist nicht zugängliche Bereich der palatinalen Wurzelkanalwand bleibt deshalb häufig mechanisch und chemisch unbehandelt und bildet ein Reservoir für mikrobiell infi- zierte Gewebe. In seltenen Fällen können sich im ovalen Wurzelkanalanteil durch die Bildung einer Dentinbrücke zwei Wurzel- kanäle entwickeln (Abbildung 3) Apikal kann die Wurzel einen geraden Ver- lauf einnehmen, der Wurzelkanal aber inner- halb der geraden Wurzel stark gekrümmt verlaufen. Insbesondere auf rechtwinkligen intraoralen Röntgenaufnahmen kann die apikale Krümmung eines Wurzelkanals Wurzelkanalsysteme – Teil 3 Die Anatomie von Oberkiefer- Schneide- und -Eckzähnen Michael Arnold, Frank Paqué 25 Prozent aller Wurzelkanalbehandlungen finden an Frontzähnen statt. Trotz scheinbar einfacher Anatomie treten hier im Verlauf von Wurzelkanalbehand- lungen Komplikationen auf, die im Vergleich zu Behandlungen an Molaren und Prämolaren häufiger Revisionen, Wurzelspitzenresektionen und Extraktionen nötig machen. Foto: Frank Paqué 72 Zahnmedizin

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