Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm 108, Nr. 10, 16.5.2018, (1122) Hinz neigt zu Widerspruch Prof. Rolf Hinz, Kieferorthopäde, Hochschullehrer, Verleger, Autor, Hobbygolfer (Handicap 36), Autoliebhaber und Gründer des „Dr. Hinz-Fachlaboratoriums für Kieferorthopädie“ sowie der „Dr. Hinz Dental-Vertriebsgesellschaft“, lässt sein Leben Revue passieren und legt mit 90 Jahren seine Me- moiren im Eigenverlag vor. Als Zeitzeuge und Chronist berichtet er aus seinem Leben und von den historischen Umbrüchen, die sein Leben geprägt haben: die NS- Zeit in Berlin, die Anfänge der DDR in Dresden sowie seine Flucht ins Ruhrgebiet 1960. Hinz erzählt viel Persönliches – eine distanzierte Einordnung der Er- eignisse findet nicht statt. Mit Liedern aus seiner Jugend und zahlreichen Fotos, die er seit seinem zwölften Lebensjahr zahl- reich selbst entwickelte, erinnert er sich. Wie sonst sollte man über 90 Jahre Leben berichten, „was man wann, wo mit wem Erwähnenswertes erlebt hat“, wenn man kein Tagebuch ge- führt hat, fragt sich Hinz selbst im Vorwort. Dazu liefert Hinz aber auch erstaunlich viele Anekdoten aus knapp neun Jahrzehnten. So ist zum Beispiel die „erste kiefer- orthopädische Erfahrung“ dem Sechsjährigen „unvergessen ge- blieben“: „Mir wuchsen zwei schiefe Zähne mitten im Mund, fast um 90 Grad gedreht, mit einer fehlerhaften Kopfbiss-Stel- lung“, schreibt Hinz. „Über 100 Reichsmark sollte 1935 eine kleine Regulierung für nur zwei Zähne kosten. Ein Vermögen, was meine Großeltern nicht auf- bringen konnten.“ Also nahm Hinz die Empfehlung des Zahn- arztes wahr, „bei jeder Gelegen- heit mit dem Daumen oder mit der Zunge an die Zähne zu drücken“. „Ich tat, wie mir geheißen“, schreibt Hinz „und drückte und drückte – und das mit sichtbarem Erfolg!“ Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte der 17-Jährige keine Idee, was er „eigentlich werden wolle“. „Meine frühere Vorstellung, einmal Kamera- mann zu werden, hatte ich auf- gegeben. […] Wie man etwas zum Essen bekommt, stand mit an erster Stelle.“ Zurück bei seinen Eltern in Dresden, eiferte er sei- nem Stiefvater nach, der in Riga geboren und dort als Dentist aus- gebildet wurde, in Deutschland jedoch keine Zulassung für eine Praxis erhielt und deshalb jahre- lang als Zahntechniker arbeitete. „Meine Neigung zum Basteln, aber auch die Zuneigung zu Annelore [Anm. d. R.: eine Helfe- rin in der Praxis] waren Grund genug, mich auch für zahn- technische Arbeiten im Labor zu begeistern“, schreibt Hinz. „Das führte zu dem Entschluss, die Dentisten-Laufbahn einzu- schlagen.“ 1946 beginnt er als Dentisten-Praktikant, besucht dann das Lehrinstitut für Dentis- ten und schließt die Ausbildung als staatlich geprüfter Dentist ab. Nach einem Zahnmedizinstudium an der Humboldt-Universität in Berlin folgte wenig später die Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie mit eigener Niederlassung in Doberlug- Kirchhain in der DDR. In Herne, nach seiner Flucht aus der DDR im Jahr 1960, fängt Hinz mit einer KFO-Praxis neu an: Gegen den Widerstand der Fach- gesellschaften und den Berufs- verband der Deutschen Kiefer- orthopäden gründete er 1967 das „Dr. Hinz-Fachlaboratorium für Kieferorthopädie“. „Unser bester Kunde war anfangs die eigene Praxis, zumal der Raum des gewerblichen Labors im Untergeschoss der Praxis unter- gebracht war. Wir brauchten daher auch kein Praxislabor mehr zu führen.“ 1982 gründete er außerdem die Vertriebsgesellschaft „Dr. Hinz Dental“ als „Entwickler und Her- steller“ sowie „Vertriebspartner zahlreicher, auch internationaler Unternehmen“, schreibt Hinz. Warum er sich in der Berufspolitik engagiert hat, begründet Hinz mit einem Satz: „So lange mein Handeln fremdbestimmt war, wollte ich mitbestimmen, um nicht majorisierenden Verbands- meinungen hilflos ausgeliefert zu sein.“ Mit der Wahl zumMitglied der Kammerversammlung West- falen-Lippe 1965 beginnen für ihn mehr als 30 Jahre Berufspolitik. 1993 wurde er Vorsitzender der KZV Westfalen-Lippe. „Ich habe durch diese Tätigkeit viel gelernt: fachlich, organisatorisch – und auch großes Verhandlungs- geschick. Aber vor allem habe ich Menschenkenntnis erworben!“ Sein Lebensmotto „Hinz neigt zu Widerspruch“ zieht sich dabei durch seine Autobiografie. Zu guter Letzt kündigt der 90-Jährige an, er „habe noch viel vor!“ Beide Firmen sowie die Gemeinschaftspraxis „Prof. Hinz & Partner“ werden derzeit von seinen Töchtern weitergeführt. „Ein Unternehmen oder eine Pra- xis zu gründen und erfolgreich zu sein, ist eine Sache“, schreibt Hinz in seinem Schlusswort. „Sie durch die kommende Generation zu erhalten und weiter aufzubauen, ist weitaus schwieriger.“ Rolf Hinz: Hinz neigt zu Widerspruch – Mein Weg Zahnärztlicher Fach-Verlag, Herne, 2017. ISBN: 978-3-944259-76-5 29,50 Euro 98 Rezensionen

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