Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11
zm 108, Nr. 11, 1.6.2018, (1186) Korkhaus wurde am 4. Januar 1895 in Köln geboren. Dort besuchte er die Volksschule (ab 1901), die Realschule (ab 1906) und die Oberrealschule (ab 1912), die er 1914 mit dem Abitur abschloss. Unmittelbar nach der Schule trat er als Freiwilliger in den Kriegs- dienst ein, wo er an der West-, an der Ost- front und auf dem Balkan eingesetzt wurde [Hausser/Urban, 1978; Wesemann, 1987; Forsbach, 2006]. Für seine Dienste erhielt er das Eiserne Kreuz II. Klasse und das Front- kämpferkreuz [Forsbach, 2006]. Ab 1918 studierte er Zahnheilkunde in Ber- lin und Bonn, wo er 1920 die Approbation erlangte und 1921 mit einer Arbeit über „Die Extraktionsfrage in der Orthodontie mit besonderer Berücksichtigung der Extraktion der oberen Eckzähne“ zum Dr. med. dent. promoviert wurde [Korkhaus, 1921]. Kork- haus verblieb in der Folgezeit bei seinem akademischen Lehrer, dem jüdischen Ordi- narius Alfred Kantorowicz, in Bonn [Hausser/ Urban, 1978; Groß, 2017]. 1925 heiratete er Margot Korkhaus, geborene Sprengholz; aus der Ehe ging ein Sohn hervor [Wesemann, 1987; Hausser/Urban, 1978; Forsbach, 2006]. 1927 wurde Korkhaus auf Veranlassung seines Mentors Kantorowicz zum Leiter der Kieferorthopädischen Abteilung der Bonner Schulzahnklinik ernannt – eine Position, die er bis April 1934 beibehielt. 1929 erfolgten, ebenfalls in Bonn, seine Habilitation und die Ernennung zum Privatdozenten [Hausser/ Urban, 1978; Forsbach, 2006]. In seiner Habilitationsschrift (1929) widmete er sich dem „Einfluss der Erbmasse auf die Entwick- lung des Gebisses“. Während er vor 1933 politisch in der Nähe der nationalliberalen „Deutschen Volkspartei“ (DVP) verortet wurde, schloss er sich nach der Machtergreifung Hitlers in rascher Folge zahlreichen NS- Organisationen an, darunter dem NS-Ärzte- bund, der NSDAP und dem NS-Dozenten- bund [Forsbach, 2006; Kirchhoff, 2009]. Ab Mitte der 1930er-Jahre nahm seine Karriere Fahrt auf: Am 30. November 1935 wurde er in Bonn außerordentlicher, am 4. November 1939 außerplanmäßiger Pro- fessor. Weitgereist? Das fanden einige Nazis suspekt Allerdings blieb Korkhaus der letzte Karriere- schritt – der von ihm erklärtermaßen ange- strebte Lehrstuhl [Forsbach, 2006] – zunächst verwehrt. Hintergrund war der Umstand, dass die Führungsriege der NS-Zahnärzte- schaft sich uneins in der charakterlichen Be- urteilung des polyglotten, international weit gereisten Wissenschaftlers zeigte. Während Korkhaus die Protektion des Reichszahn- ärzteführers Ernst Stuck genoss, blieb er dem „Hochschulreferenten für Zahnmedizin im Stab ‚Stellvertreter des Führers‘“, Karl Pieper, suspekt [Forsbach, 2006]. Nach Kriegsende musste sich Korkhaus wie viele seiner Berufskollegen der Frage nach seinem Verhältnis zum Nationalsozialismus stellen. Ein universitätsinterner Prüfungs- ausschuss unter Mitwirkung des Dekans Erich von Redwitz kam noch im Herbst 1945 zu dem Schluss, dass ein „sofortiges Wieder- auftreten“ von Korkhaus „in der Öffentlich- keit“ nicht angemessen sei. Korkhaus erklärte seinerseits im Entnazifizierungsverfahren, dass ihm der Lehrstuhl, den er eigentlich auf- grund seiner Leistung hätte beanspruchen können, aus politischen Gründen versagt worden sei [Forsbach, 2006]. Letztlich zog sich das Entnazifizierungsverfahren – wie so viele Verfahren – bis 1948 hin. Es endete am 5. Februar mit der Einstufung Korkhaus‘ in Kategorie V („Entlastete“) [HStA Düsseldorf, NW 1049–54022 – zitiert nach: Forsbach, 2006]. Allerdings hatte sich schon 1946 angedeu- tet, dass er seine wissenschaftliche Laufbahn würde fortsetzen können: In diesem Jahr wurde er als Hochschullehrer von der Militär- regierung bestätigt und mit der kommis- sarischen Leitung der Bonner Zahnklinik be- traut. Mit Wirkung vom 1. November 1948 wurde er dann zum Ordinarius für Zahnheil- kunde und zum Direktor der Bonner Zahn- klinik ernannt [Forsbach, 2006]. 1954 wurde Wegbereiter der Zahnheilkunde – Teil 16 Gustav Korkhaus – 29 Jahre Präsident der DGKFO Gustav Korkhaus (1895–1978) zählt zu den deutschen Pionieren der Kieferortho- pädie. Sein besonderes Interesse galt der kieferorthopädischen Diagnostik, der Therapie der Gebissanomalien und der kieferorthopädischen Prophylaxe. Er war Herausgeber der „Fortschritte der Orthodontik“, Geräteentwickler und eine international geschätzte Koryphäe seines Faches. Seine Rolle im „Dritten Reich“ wird kontrovers diskutiert. Foto: zm Archiv 42 Gesellschaft
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