Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 108, Nr. 11, 1.6.2018, (1187) Korkhaus zudem Dekan der Medizinischen Fakultät – eine Funktion, die er bis 1956 wahrnahm. Am 1. Mai 1966 wurde er eme- ritiert. Er starb am 16. Juni 1978 in Bonn im Alter von 83 Jahren nach „kurzer, schwerer Krankheit“ [Hausser/Urban, 1978]. „Ein Repräsentant von Weltruf“ Korkhaus gehört in fachlicher Hinsicht zu den wirkmächtigsten und erfolgreichsten deutschen Zahnärzten der Nachkriegszeit – Erich Hausser nennt ihn in seinem Nachruf gar „einen wissenschaftlichen Repräsen- tanten von Weltruf“ [Hausser/Urban, 1978]. Sein spezifisches Interesse galt der Kiefer- orthopädie – er ist einer der deutschen Pioniere dieses Fachs. Schon Anfang der 1930er-Jahre hatte er zusammen mit sei- nem Förderer Kantorowicz ein Diagnostik- Schema etabliert, bei der Gruppen mit „vor- wiegend umweltbedingten“ und Gruppen mit „vorwiegend erbgebundenen“ Kiefer- anomalien differenziert wurden („Bonner Schule“). Bereits 1931 hatte er die Vor- gängerzeitschrift der heutigen „Fortschritte der Kieferorthopädie“, die „Fortschritte der Orthodontik in Theorie und Praxis: Inter- nationale Zeitschrift für Kiefer- und Gesichts- orthopädie“ gegründet und auch die Herausgeberschaft übernommen [Hausser/ Urban, 1978]. Zudem fungierte er bereits seit 1937 als Präsident der „Deutschen Ge- sellschaft für Kieferorthopädie“ [100 Jahre, 2008]. In den 1930er-Jahren begann sich der Ter- minus „Kieferorthopädie“ durchzusetzen, während bis zu diesem Zeitpunkt der Begriff „Orthodontik“ – angelehnt an den anglo- amerikanischen Terminus „Orthodontics“ – üblich war. Gemeint ist in beiden Fällen das Teilgebiet der Zahnheilkunde, das sich mit der Erkennung, der Beurteilung und der Ver- hütung beziehungsweise der Behandlung von Fehlstellungen der Kiefer und der Zähne befasst. Korkhaus galt als ausgezeichneter Diagnos- tiker und als ebenso kundiger Hochschul- didakt. Dorothea Dausch-Neumann [2009] verweist insbesondere auf den 4. Band des von Christian Bruhn und Cart Partsch he- rausgegebenen „Handbuchs der Zahnheil- kunde“, in dem Korkhaus das Gebiet „der Gebiss- und Kieferorthopädie unter anato- misch-topografischen, statisch-funktionel- len, cephalometrischen und entwicklungs- geschichtlichen Gesichtspunkten“ sowie im 2. Teil die „Biomechanische Gebiss- und Kieferorthopädie“ mit der damaligen „Therapie der Gebissanomalien“ darstellt und erläutert. Besagte Darstellungen reprä- sentieren Dausch-Neumann zufolge den gesamten zeitgenössischen „Wissensstand unserer Kieferorthopädie in ausführlicher Art und Weise unter Berücksichtigung der gesamten damaligen Literatur“. Aufgrund seiner guten Fremdsprachen- kenntnisse erlangte Korkhaus rasch inter- nationale Beachtung und knüpfte Beziehun- gen zu allen führenden Kieferorthopäden. So wurde er auch zu einem der fünf Gründungs- mitglieder des „Club international de mor- phologie faciale“ [Hoffer, 1972]. Sein besonderes Interesse galt neben den Fragen der kieferorthopädischen Diagnostik der Ätiologie der Gebissanomalien und der kieferorthopädischen Prophylaxe und Frühbehandlung. Er entwickelte eine Reihe technischer Gerätschaften, etwa einen drei- dimensionalen Zirkel, ein Orthometer, einen Symmetrografen und ein Lingualschloss. Korkhaus hinterließ mehr als 300 wissen- schaftliche Publikationen, darunter mehrere Lehrbücher [Reichenbach, 1969; Wesemann, 1987). Ihm wurden 26 Ehrenmitgliedschaf- ten ausländischer wissenschaftlicher Gesell- schaften und neun Honorarprofessuren an ausländischen Universitäten zuteil; erwähnt seien beispielhaft die Ehrenprofessuren der Universitäten Santiago/Chile, La Paz/Bolivien und Medellin/Bolivien [Hausser/Urban, 1978; Wesemann, 1987; Klee, 2014]. DGKFO-Präsident im NS-Staat – und in der BRD Korkhaus war sowohl im „Dritten Reich“ als auch in der Bundesrepublik, von 1937 bis 1966, Präsident der „Deutschen Gesell- schaft für Kieferorthopädie“ (DGKFO) – länger als jeder andere Präsident vor oder nach ihm [100 Jahre, 2008]. Auch hierin zeigt sich die Kontinuität seiner Karriere, die ihm schließlich auch eine Ehrenmitglied- schaft in der DGKFO einbrachte. Zu seinen zahlreichen weiteren Ehrungen gehören die Aufnahme in die Leopoldina (1953), das „Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland“ (1955), das Offizierskreuz der „Palmes académiques“ Paris (1958) und das Offizierskreuz des französischen Verdienst- ordens (1966) [Hausser/Urban, 1978]. Seit 1964 war er zudem Ehrenmitglied der DGZMK [Groß/Schäfer, 2009]. Die dental- historische Sammlung am Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Uni- versität Bonn trägt bis auf den heutigen Tag den Namen „Gustav-Korkhaus-Sammlung“ [Gustav-Korkhaus-Sammlung, 2017]. Univ.-Prof. Dr. mult. Dominik Groß Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Medizinische Fakultät RWTH Aachen University, MTI II Wendlingweg 2, 52074 Aachen dgross@ukaachen.de Der QR-Code führt zu den anderen Teilen der Serie „Wegbereiter der Zahnheilkunde“ Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 43

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