Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11

zm 108, Nr. 11, 1.6.2018, (1219) 2.2 Pharmakologische Grundlagen In zunehmendem Maße werden Patienten, teilweise über mehrere Jahre oder sogar lebenslang, zur Verhinderung von thrombotischen und thrombembolischen Ereignissen ambulant mit die Blutgerinnung hemmenden Medikamenten behandelt. Diese können in Antikoagu- lantien und in Thrombozytenaggregationshemmer unterteilt werden. Antikoagulantien: Unter Antikoagulantien werden indirekte und direkte Hemmer der plasmatischen Gerinnung subsummiert. Typische Vertreter der indirekten Antikoagulantien, also solcher, die einen Ko- faktor zur Entfaltung der antikoagulatorischen Wirkung benötigen oder die Synthese der Gerinnungsfaktoren hemmen, sind zum einen die Heparine und zum anderen die oral einzunehmenden Vitamin- K-Antagonisten wie das Phenprocoumon und das Warfarin. Bei den Vitamin-K-Antagonisten handelt es sich um Cumarinderivate, die durch Inhibition der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX, X sowie der Pro- teine C, S und Z wirken. Unfraktionierte Heparine sind Antithrombin- III-abhängige Thrombininhibitoren, die i.v. oder s.c. gegeben wer- den, während die fraktionierten, niedermolekularen Heparine den Faktor Xa bei s.c.-Gabe hemmen. Neue Orale Antikoagulantien (NOAK) , gelegentlich auch „Direkte Orale Antikoagulantien“ (DOAK) genannt, interagieren mit einzel- nen Gerinnungsfaktoren. Hier sind direkte Thrombininhibitoren wie das Dabigatran sowie Faktor-Xa-Inhibitoren wie das Rivaroxaban, Apixaban und das Edoxaban als Wirkstoffe von aktueller klinischer Relevanz (Tabelle 1). Heparine werden vor allem im stationären Bereich eingesetzt, haben einen schnellen Wirkbeginn und eine Halbwertszeit von fünf bis sie- ben Stunden. Eine Überprüfung der Wirkung ist über verschiedene Laborparameter (unfraktioniert: partielle Thromboplastinzeit (PTT), niedermolekular: Anti-Xa-Aktivität) möglich; eine Antagonisierung mit Protamin ist verfügbar. Die Wirkung von den peroral applizierten Vitamin-K-Antagonisten im therapeutischen Bereich setzt erst nach Verbrauch der vorhandenen Gerinnungsfaktoren, also nach 48 bis 72 Stunden bei einer langen Halbwertszeit von ungefähr 160 Stun- den ein. Aufgrund der hohen inter- und intraindividuellen Variabilität wird mittels des International Normalisierten Ratio (INR) – einer internationalen Normierung des Quickwertes – bei den Cumarinen der individuelle Zustand des Patienten anschließend überwacht, wobei der jeweilige therapeutische INR je nach Indikation zwischen 2 und 3,5 liegen sollte (Tabelle 3). Im Notfall stehen zur Antagonisie- rung bevorzugt Prothrombinkonzentrate (PPSB) und alternativ ge- frorenes Frischplasma (FFP) zur Verfügung. Eine Antagonisierung mit Vitamin K ist für den Notfall ungeeignet. Bei oral aufgenommenem Dabigatran ist der maximale Plasma- Orale Antikoagulantien Substanz Phenprocoumon Warfarin Dabigatran (NOAK) Rivaroxaban (NOAK) Apixaban (NOAK) Edoxaban (NOAK) Tabelle 1: Zusammenfassung von Wirkmechanismen, Indikationen und Plasmahalbwertszeiten der oral verfügbaren alten (Cumarine) und neuen (NOAK) Antikoagulantien (nach [5]). In der Regel beträgt die klinische Wirkung der oralen Antikoagulantien drei bis vier Halbwertszeiten. Es dauert durchschnittlich in etwa fünf Halbwertszeiten, bis ein appliziertes Medikament im Plasma nicht mehr nachweisbar ist und überhaupt nicht mehr wirkt. / Konsens der LL-Gruppe Wirkmechanismus Bindung an die Vitamin-K-Epoxid- Reduktase und Hemmung der Carboxylierung von Glutamat kompetitive und reversible Bindung an Thrombin. Hierdurch Blockade der Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin direkte, reversible und selektive Inhibition des Faktor Xa direkte, reversible und selektive Inhibition des Faktor Xa direkte und reversible Inhibition des Faktors Xa Indikation Rezidivprophylaxe von Thrombosen, Vorhofflimmern, bei Vorliegen künst- licher Herzklappen und Gefäßprothe- sen, bei koronaren Herzerkrankungen 1. Primärprävention von venösen thromboembo-lischen Ereignissen nach elektivem chirurgischen Hüft- oder Kniegelenks-ersatz 2. Prävention von Schlaganfall und syste-mischer Embolie bei nicht valvulärem Vorhof- flimmern 3. Behandlung tiefer Ve- nenthrombosen (TVT) und Lungen- embolien (LE) sowie Prävention von rezidivierenden TVT und LE Siehe Dabigatran Siehe Dabigatran 1. Prävention von Schlaganfall und systemischer Embolien bei valvulärem Vorhofflimmern 2. Behandlung tiefer Venenthrombosen (TVT) und Lungen- embolien (LE) sowie Prävention von rezidivierenden TVT und LE Plasmahalbwertszeit Phenprocoumon: 160 h; Warfarin: 50 h 12–17 h 7–11 h 8–14 h 10–14 h 75

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