Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 11
zm 108, Nr. 11, 1.6.2018, (1228) koagulation, der Unterschied erreichte aber keine Signifikanz [38]. Kritisch anzumerken ist allerdings, dass in dieser Studie keine einheit- liche operative Vorgehensweise für die Studiengruppen gewählt wurde. Im Gegensatz zur Antikoagulations-Gruppe wurden bei- spielsweise in der Bridging-Gruppe keinerlei lokale hämostyptische Maßnahmen durchgeführt, sodass die Studie ein Bias zugunsten der fortgeführten Antikoagulation beinhaltet. Sollte ein Bridging notwendig sein, erfolgt dies immer in enger Rück- sprache mit dem behandelnden Hausarzt oder mit dem behandeln- den Kardiologen. Hier wird empfohlen, das Kreatinin im Serum zu bestimmen, um mögliche Indikationseinschränkungen zu bewerten. 8. Präoperative Kautelen 8.1 Anamnese Wie aus dem oben Erwähnten zu entnehmen, kommt der Anamnese eine besondere Bedeutung zu. Patienten unter Antikoagulation und/ oder Thrombozytenaggregationsinhibition haben oftmals einen Pass, in dem die rezeptierten Antikoagulantien und Thrombozytenaggre- gationshemmer sowie, wenn möglich und vorhanden, die aktuellen Laborwerte vermerkt sind. Die antikoagulatorische pharmakodyna- mische Wirkung eines NOAK lässt innerhalb von 12 bis 24 Stunden nach der letzten Einnahme zunehmend nach. Zur klinischen Ein- schätzung der Blutungsneigung eines Patienten unter NOAK-Be- handlung ist daher die genaue Erhebung der Arzneimittelanamnese klinisch von hoher Relevanz. Hier ist insbesondere die Klärung der Frage am wichtigsten, wann die letzte Tablette welches genauen Wirkstoffs in welcher Dosierung eingenommen wurde [18]. Bridging 1 Typische zahnärztlich-chirurgische Eingriffe wie Zahnextraktionen, Osteotomien, Implantationen oder umschriebene Weichgewebe- eingriffe sollen unter laufender Therapie mit Vitamin-K-Antago- nisten ohne ein Bridging stattfinden. Empfehlungsgrad: A Level of Evidence 3 (LoE3) Starker Konsens: 13/13 Sondervotum der DGMKG: Die DGMKG teilt die Auffassung der Leit- linienautoren nicht. Die von den Leitlinienautoren zur Begründung zitierte, prospektive Studie von Bajkin et al. (2009) zeigt nicht die Überlegenheit einer fort- gesetzten Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten gegenüber einem Bridging, sondern lediglich, dass die Fortsetzung der Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten gegenüber einem Bridging nicht zu signifi- kant höheren Blutungskomplikationen führt. Tatsächlich lag die Blu- tungshäufigkeit in der Vit-K-Antagonisten-Gruppe zwar höher, aber noch nicht signifikant höher. Die ebenfalls von den Leitlinienautoren zur Begründung zitierte Studie von Clemm et al. (2015) [69] zeigte eine signifikant höhere Blutungsrate in der mittels Vit-K-Antagonisten behandelten Gruppe und ausdrücklich keine statistisch signifikant höhere Blutungsrate in der Bridging-Gruppe. Die Ergebnisse der Stu- die stehen daher im Gegensatz zu der in der Leitlinie angegebenen Empfehlung. Insofern kann, basierend auf dem Nachweis von bestenfalls Gleich- wertigkeit und ausdrücklich nicht-Überlegenheit der Fortführung einer Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten in der Literatur, keine einseitige, strenge Empfehlung zugunsten des „Fortführens“ der Therapie mit Cumarinen ausgesprochen werden. Die Empfehlung der DGMKG lautet daher: Typische zahnärztlich-chirurgische Eingriffe wie Zahnextraktio- nen, Osteotomien, Implantationen oder umschriebene Weich- gewebeeingriffe können entweder unter laufender Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten oder unter einem Bridging stattfinden. Empfehlungsgrad: A Level of Evidence 1b (LoE1b*) * Die Aussagekraft der Studie von Bajkin et al. (2009) wird durch zwei Aspekte ein- geschränkt: Zum einen wurden lediglich in der Antikoagulations-Gruppe lokale hämostyptische Maßnahmen durchgeführt (siehe oben), sodass die Studie einen Bias zugunsten der fortgeführten Antikoagulation beinhaltet. Zum anderen wird in der Studie keine Fallzahlschätzung angegeben. Bridging 2 Vor größeren Eingriffen (wie mit Bezug zu Mundboden, Sinus maxillaris oder dem retromaxillären Raum) kann die Umstellung auf Heparin (Bridging) sinnvoll sein. Empfehlungsgrad: 0 Level of Evidence 4 (LoE4) Starker Konsens: 13/13 Anamnese 1 Die Anamnese vor einem zahnärztlich-chirurgischen Eingriff soll immer speziell bekannte anamnestische Besonderheiten im Hinblick auf die Blutgerinnung beinhalten. Empfehlungsgrad: A Level of Evidence 4 (LoE4) Starker Konsens: 13/13 Anamnese 2 Speziell bei NOAKs soll der Zeitpunkt der letzten Tabletteneinnahme erfragt werden. Empfehlungsgrad: A Level of Evidence 4 (LoE4) Starker Konsens: 13/13 Anamnese 3 Speziell bei NOAKs soll vor zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen eine Nierenfunktionseinschränkung erfragt werden (siehe Ab- schnitt 4.2 „Dabigatran“). Empfehlungsgrad: A Level of Evidence 4 (LoE4) Starker Konsens: 10/13 84 Leitlinie Antikoagulantien
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