Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm 108, Nr. 12, 16.6.2018, (1324) Diskussion Arztbewertungsportale Nicht mehr als das Resultat von „Wohlfühlfaktoren“ Welcher Patient wünscht sich nicht Informationen, die Auskunft darüber geben können, wer ein guter Arzt ist und wer nicht? Das Interesse daran ist mehr als legitim, und deswegen greifen viele auf Arztbewertungsportale zurück. Aber leisten die Portale überhaupt das, was sie versprechen? Schon in Namenszusätzen und Werbeaussagen von Bewertungs- portalen wird ein Versprechen laut – das Versprechen nämlich, den „Arzt“ bewerten zu können. Dementsprechend werden diese Portale nicht selten als Ausweis dafür begriffen, wer ein guter Arzt ist. Und doch ist diese Konnotation mehr als irreführend, denn diese Portale können über vieles Auskunft geben, ange- fangen von den Wartezeiten über die mobiliare oder auch technische Ausstattung der Praxis bis hin zur Freundlichkeit des Arztes, was sie aber nicht bewerten können, ist gerade die Frage, ob es sich um einen guten Arzt handelt oder nicht. Das Paradoxe an diesen Portalen besteht darin, dass sie genau das, worüber sie keine Aussage erlauben, zum Gegenstand ihres Geschäfts ge- macht haben. Die Portale müssen deswegen ja nicht sinnlos sein; sie entsprechen einem legitimen Desiderat, mehr über die Ärzte wissen zu wollen. Aber man muss sich im Klaren darüber sein, was die Portale leisten können und was nicht. Warum also können die Portale die eigentliche ärztliche Leistung, also dessen ärztliche Expertise, nicht adäquat widergeben? Die Expertise des Arztes besteht nicht primär darin, etwas Handwerkliches zu können; es ist nunmal nicht primär die sichtbare Aktion, die ihn zu einem guten Arzt macht, sondern es ist die der Aktion vorausgegangene Reflexion, welche der Aktionen denn überhaupt sinnvoll und angezeigt ist. Die ärztliche Expertise kommt somit zuallererst in der gekonnten Indikationsstellung zum Zuge und nicht allein in der gekonnten Intervention. Die Entscheidung, ob eine Intervention sinnvoll und wie weit sie sinnvoll ist, diese Entscheidung bildet die zentrale Könnerschaft des Arztes ab. Wenn wir nun sagen, dass die Internetportale deswegen not- wendig sind, weil sie – so das Hauptargument – zur Stärkung der Transparenz beitragen, so übersieht man, dass man nur das trans- parent machen kann, was auch sichtbar gemacht werden kann. Eingriffe und Komplikationen können sichtbar gemacht werden, aber die Indikationsstellung als innerer Reflexionsprozess bleibt grundsätzlich unsichtbar und entzieht sich der Beurteilung von außen. Man kann die Indikation nur dann beur- teilen, wenn man die gesamte Situation mit allen wesentlichen Informa- tionsmomenten nachvollzieht und darin nicht nur formalisier- tes Wissen, sondern zugleich auch nicht formalisierbares Er- fahrungswissen einbindet. Kurzum: Es wird dem Patienten im Angesicht seines nicht aufhebbaren Wissens- und Erfahrungsgefälles nie möglich sein, die gute von der weniger guten Indikationsstellung tatsächlich zu unterscheiden. Er kann das Ergebnis eines Eingriffs unterscheiden, aber ob der Eingriff tatsächlich notwendig war oder nicht, wird er nicht beurteilen können, und am Ende ist letztere Frage vielleicht die wichtigste. Der Patient kann natürlich beurteilen, ob der Arzt zugewandt war, ob er freundlich war, ob er ihm verständliche Informationen über- ittelt und ihn eingebunden hat im Gespräch – m dies ist nicht geringzuschätzen, aber ein und all nuin fachliche Könnerschaft des Arztes wird Urteil über die ge ben können. er sich nicht erlau tbewertungsportale suggerieren, dass sie Wenn aber Arz e in ihrer fachlichen Expertise bewerten die Ärzt dann versprechen sie schlichtweg zu können, viel. nn es auch so sagen, dass die Portale Man ka eeignet sind, die nicht-medizinischen dafür g r Praxis zu bewerten, aber die genuin Aspekte de tise entzieht sich geradezu kategorisch fachliche Exper hkeit. Deswegen ist es wichtig, die der Bewertungsmöglic der Grenze dessen, was sie leisten Arztbewertungsportale in e schließen zwar eine Informations- können, klar zu erfassen. Si geben können über die äußerlich lücke, indem sie Auskünfte gen und nicht-medizinischen Begleit- messbaren Rahmenbedingun parameter der Praxis, aber de facto stellen sie nicht mehr dar als das Resultat von „Wohlfühlfaktoren“, so dass sich sagen lässt, dass die Arztbewertungsportale weniger Fachinformationsportale sind als vielmehr Wiedergaben von Befindlichkeitsumfragen. Illustration: Pixi - Fotolia.com Der Medizinethiker Prof. Dr. Giovanni Maio Foto: S.Wernet 12 Politik

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