Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12
zm 108, Nr. 12, 16.6.2018, (1331) bereits lieber von einem Smartphone als von einem Arzt behandelt werden will.“ „Der Mediziner der Zukunft muss nicht zwangs- läufig Arzt sein, vielleicht ist er Tele Surgeon oder Medizin-Applikationstechnischer Assis- tent“, prophezeite der Journalist. Medizin ist nicht unique „Fest steht nur: Medizinische Versorgungs- angebote müssen heute dort sein, wo der Patient ist.“ Es werde zu einer Entbündelung der Leistungen und zu B2C-Kundenbezie- hungen kommen – siehe Philips –, wobei sich dann einige Anbieter die lukrativen Angebote gezielt herauspickten. „Medizin ist nicht unique“, warnte Müller. „Medizin ist allein in Deutschland ein 350-Milliarden- Euro-Markt.“ „Moderne Software darf den Arzt nicht er- setzen, sondern muss ihn ergänzen“, forderte Dr. Dominik Pförringer, Facharzt für Ortho- pädie und Unfallchirurgie und Mitglied der AG Versorgungsforschung und Digitalisierung am Klinikum rechts der Isar München. Eine US-Studie lässt hoffen: Danach liegt das Risiko, dass Mediziner ‚wegdigitalisiert‘ werden, bei 10 Prozent. „Wer Digitaliserung schlau einsetzt, hat am Ende mehr Zeit für die Patienen und vergeudet weniger Energie für Bürokratisierung und Dokumentation“, prognostizierte Pförringer. „Doch spricht die IT nicht mit den Ärzten und vice versa, dann baut man einander vorbei.“ Der Input komme oft aus ganz artfremden Branchen – wie dem Theater. In dem Fall hätten sich die Entwickler von OP- Leuchten (Optimus) die Technik vom Broad- way abgeschaut: So wie kein Schatten auf das Gesicht der Schauspieler fallen darf, leuchtet die Lampe im OP dorthin, wo der Operateur gerade tätig ist, das OP-Feld 19 Nach Jahren des Stillstands kommt Bewegung in das Thema „elek- tronische Patientenakte“. ImMärz hatte die AOK in Mecklenburg- Vorpommern mit dem Ärztenetzwerk Haffnet eine vorerst noch lokale und auf das Entlassmanagement beschränkte digitale Patientenakte vorgestellt. Im April folgte die TK mit ihrer mit IBM entwickelten Gesundheitsakte „TK-Safe“, die bereits vom Start weg weit umfangreichere Funktionen als die AOK-Lösung mit- bringt. Jetzt zieht eine Gruppe aus über 90 gesetzlichen Betriebs-, Ersatz- und Innungskrankenkassen plus einiger privaten Kranken- versicherungen nach: An der neuen Gesundheitsakte „Vivy“, die am 5. Juni in Berlin präsentiert wurde, beteiligen sich von privater Seite unter anderem die Allianz PKV, die Barmenia, die Gothaer und die Süddeutsche Krankenversicherung. Dabei wird Vivy nicht von den Kassen selbst betrieben, sondern von der Vivy GmbH mit dem Gründer-Geschäftsführer Christian Rebernik an der Spitze. Gesellschafter der Vivy GmbH sind Rebernik (30 Prozent) und die Allianz SE als Finanzinvestor (70 Prozent). Teilnehmende Kassen zahlen an Vivy proMitglied und stellen ihren Versicherten die Vivy-App bereit. Mit der App können medizinische Daten und Dokumente ge- speichert und verwaltet – etwa der Medikationsplan gescannt und gelesen – werden. Medikamente lassen sich hinzufügen, indem man den Barcode der Packung scannt – die App prüft dann das gescannte Mittel auf mögliche Wechselwirkungen mit bereits im Medikationsplan vorhandenen Präparaten. Viele Funktionen sind aus anderen Apps bekannt – zum Beispiel das Erstellen und Verwal- ten eines Impfplans und der Recall für Impfungen und Vorsorge- untersuchungen. Außerdem können nicht nur zwei-, sondern auch dreidimensionale Röntgenaufnahmen importiert werden – die App beherrscht das DICOM-Format. Die Vivy-App soll nach dem Willen der Betreiber aber nicht nur eine eGesundheitsakte, sondern auch eine „digitale Assistentin“ in der patienteneigenen „Gesundheitswelt“ sein: Sie kann Tracking- daten von Fitness-Apps einspielen und gibt auch ein Feedback zum Lebensstil. Wer einen „wissenschaftlich fundierten Gesundheits- check“ durchführt, erhält eine persönliche Auswertung für die Bereiche „Körper, Ernährung, Bewegung und Geist“, versichern die Vivy-Macher. Zudem wird basierend auf den Blutwerten das biologische Alter berechnet. In puncto Datensicherheit arbeitet die App mit einem System aus öffentlichem und privatem Schlüssel – ohne den privaten Schlüssel des Versicherten lassen sich die Daten nicht lesen. Das stellt sicher, dass die Daten nur vom Nutzer am Endgerät gelesen werden können. Hinzu kommt noch eine zusätzliche Zwei-Faktor-Authen- tifizierung durch eine Gerätekopplung. Vivy wurde vom TÜV Rheinland und dem Unternehmen ePrivacy als sichere Plattform zertifiziert. Die verschlüsselten Daten des Versicherten werden in einem deutschen Rechenzentrum gespeichert. Geht das Endgerät verloren, können die Daten nur noch mit dem privaten Schlüssel des Nutzers durch Kopieren vom Server auf einem neuen Gerät wiederhergestellt werden. Hat der Nutzer den Schlüssel nicht, sind die Daten unwiederbringlich verloren. Wie auch schon TK-Safe setzt auch Vivy auf den Patienten als Herrn seiner Daten. Allein er soll bestimmen, ob und inwieweit er die Gesundheitsakte nutzen will. Diese Philosophie unterscheidet sich deutlich von zentralistisch organisierten „fürsorgenden“ Systemen – wie das dänische Gesundheitsportal Sunhed.dk) – die gelegent- lich als Vorbild für Deutschland diskutiert werden und ohne Zustimmung des Patienten Daten zusammenführen und den Heil- beruflern zur Verfügung stellen. br Die Gesundheitsakte „Vivy“ Foto: advisorhealthcare µ In der Medizin haben wir es immer noch mit Menschen zu tun: Wenn jemand mit Rückenschmerzen kommt, wird ein Algorithmus nicht psychosomatische Erkran- kungen diagnostizieren. Dr. Dominik Pförringer
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