Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12
zm 108, Nr. 12, 16.6.2018, (1334) uns allein dafür auf, um die Mitarbeiter im Prozessmanagement auszubilden und zu schulen. Das ist ein Vollzeit-Job!“, betonte er. „Rund 4.500 SOS-Termine fallen in der Praxis im Jahr an, eine erste Einschätzung machen wir anhand von Selfies.“ Seine Bilanz: „Digitale Prozesse haben immer auch einen Haken, und das ist der Mensch. Wir benötigen auch den Menschen 4.0, um digital zu sein.“ Ist die digitale Praxis auch die bessere Pra- xis? „Man kommt an der Optimierung der Prozessketten nicht vorbei. Und hier wird die digitalisierte Praxis die effizientere sein, weil sie am Ende mehr Zeit für die Patienten zur Verfügung stellt“, urteilte Martin Hendges, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der KZBV. „Nur müssen wir die Anwendungen proaktiv aus der Praxis heraus entwickeln, denn nur dann ergeben sie am Ende einen Sinn. Wir sind der Motor!“ Das Smartphone – keine Lösung für alles Ob die Gesundheitskompetenz des Patien- ten wirklich steigt, wenn er Einsicht in seine medizinischen Unterlagen hat? Wünscht er wirklich größeren Einfluss? „Beim Daten- schutz sollte der Patient auf jeden Fall aktiv der Zweitverwertung seiner Daten zustimmen müssen“, hob Dr. Mario Bolte, Datenschutz- experte der KZBV, hervor. „Das automatische Abfließen halte ich für sehr gefährlich.“ Was die Anwendungen angeht, sollten ihre angeblichen Vorteile auch nachgewiesen werden (müssen). Bolte: „Dass Qualität und Wirtschaftlichkeit erhöht werden, ist eine ständig gehörte, aber nicht belegte Floskel. Die eigentliche Frage ist: Werden die An- wendungen überhaupt genutzt?“ Gefördert werden müssten daher in erster Linie die Kernkompetenzen der Patienten und Ärzte. „Das Smartphone als Lösung für alles ist zu kurz gesprungen“, resümierte er. „Mitge- stalten heißt natürlich auch mitarbeiten, und das bedeutet: mehr Kosten, mehr Auf- wand, mehr Mitarbeiter!“ Aus ärztlicher Sicht bewertete Dr. Christiane Groß, Präsidentin des Deutschen Ärztinnen- bundes, die Entwicklung. „Telemedizin ist gar nicht so neu“, machte sie klar: „In der maritimen Versorgung wird sie seit 1931auf Schiffen eingesetzt, und zwar nicht ergän- zend, sondern als reguläre Behandlung.“ Beispielhaft für aktuelle Erfolgsmodelle stellte sie das Konsiliarsystem zur Schlaganfall- versorgung in Sachsen und Bayern vor, das die Mortalität um 10 Prozent verbessert habe. Auch die Videosprechstunde hält sie für eine praktikable und vor allem zukunfts- orientierte Lösung: „Mit einem Honorar von 22 Politik Die Vorstellung der von Kassenseite ini- tiierten Gesundheitsakten-Projekte setzt nun die gematik unter Handlungsdruck. Am 4. Juni berichtete die Ärztezeitung, dass gematik-intern der erste Entwurf einer elektronischen Patientenakte vor- liege. Anders als es sich AOK und TK ge- wünscht hatten, seien deren Akten aber nicht mit der gematik-Akte kompatibel, was auch auf die neue Vivy-Akte zutrifft. Aus Sicherheitsgründen lehne die gematik die Anbindung der Kassenakten ab, berichtete die Ärztezeitung. Bleibt es bei dieser Haltung, sind Konflikte vor- programmiert. Hier tut sich die grundsätzliche Frage auf, ob es der gematik gelingen wird, der drohenden Fragmentierung von Gesund- heitsaktenangeboten ein überzeugendes, übergreifendes Konzept entgegenzustel- len. Aus Sicht der Ärzte und Zahnärzte ist das zweifellos wünschenswert, denn es wäre alles andere als effizient, wenn die Heilberufler ihre Dokumente je nach Pa- tient in immer neue Gesundheitsakten auf jeweils unterschiedlichen Wegen samt Authentifikations- und Anmelde- prozeduren übertragen sollen. Die Selbst- verwaltung von Ärzten, Zahnärzten und Apothekern hat sich daher im Januar 2018 in einer gemeinsamen Absichtserklärung „für deutschlandweit einheitliche Stan- dards und Schnittstellen“ bei der elektro- nischen Patientenakte ausgesprochen. Benn Roolf gematik unter Druck K OMMMENTAR Foto: AOK Nordost µ Wir wollen doch keine dumme passive Akte haben. Genutzt wird sie nur, wenn wir einen Mehrwert schaffen. Nutzen schafft Künstliche Intelligenz zum Beispiel in der differen- zierten Diagnostik: Heute können Sie mit KI anhand von 20 Fragen jede seltene Krankheit erkennen. Christian Klose Foto: privat µ Es besteht ein Gap zwischen den Daten, die wir als Ärzte brauchen, und dem Selbstbestimmungs- recht der Patienten. Das ist ein Dilemma! Dr. Christiane Groß Illustration: kebox– Fotolia
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