Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12
zm 108, Nr. 12, 16.6.2018, (1338) Mediziner und Jurist Prof. Christian Dierks. Bei der DSGVO als unmittelbar geltendem Recht handele es sich um den größten Gesetzgebungsprozess in der Geschichte der EU. Es gebe zwischen 50 und 60 Öffnungsklauseln für die einzelnen Länder, in denen Ausnahmen und Erleichterungen im nationalen Recht – für Deutschland im neuen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) – zu beschließen seien. „Die Pflichten, die die DSGVO beschreibt, sind nicht neu“, stellte Dierks fest. „Neu ist, dass diese Prozesse jetzt auch dokumentiert werden müssen, das heißt, es reicht nicht aus, die Inhalte ein- fach nur umzusetzen.“ Mit der Anpassung des Strafrechts 2017 wurde bei der Auf- tragsdatenverarbeitung der strafrechtliche Schutz auf externe Dienstleister ausgeweitet, erklärte er. Was das für die Praxis bedeutet? „Werden externe Software-Anbieteter die Verarbeitung von Gesundheitsdaten einge- bunden, müssen die Beschäftigten zur Ver- schwiegenheit verpflichtet werden, was in einem Vertrag als Passus festgehalten wer- zur gematik, überzeugen konnte er die Teil- nehmer nicht. „Nicht jedes Angebot ist sinnvoll“, wandte beispielsweise der Vorsit- zende der KZV Westfalen-Lippe, Dr. Holger Seib, ein. „Mit der AOK-Akte schaffen Sie eine Parallelstruktur zur TI.“ Auch KZBV-Chef Eßer äußerte Zweifel: „Für mich ist nicht klar, was die AOK-Akte genau darstellt: eine Patienten- akte oder ein Patientenfach? Das sieht mir nach einem Poesiealbum für Patienten aus.“ Der AOK-Partnerzahnarzt? Er frage sich, welche Interessen die Kranken- kasse mit diesem Produkt verfolge. Die AOK- Akte biete je nach Nutzer unterschiedliche Ansichten, erwiderte Klose: Für den Arzt sei es eine Patientenakte, für den Patienten die Ge- sundheitsakte, aber auch – siehe TK-Safe – ein Patientenfach: „Unser Ansatz ist, dass wir alle Anwendungen je nach Zielgruppe bedienen. Der Mutmaßung Eßers, die AOK wolle die Daten nutzen, um den Patienten zu lenken – etwa mit der Empfehlung zur Zahnbe- handlung in Polen – und die freie Arztwahl auszuhöhlen – etwa mit dem Hinweis auf den „AOK-Partnerzahnarzt“ –, widersprach Klose energisch: „Der Datenschutz legt fest, dass der Patient entscheidet, was mit seinen Daten passiert.“ Die Folgen aus der Datenschutz-Grundver- ordnung (DSGVO) umriss schließlich der Elektronische Gesundheitskarte (eGK) Die eGK hat die Krankenversichertenkarte abgelöst (§ 68 SGB V). Bisher wurde als neue Funktion lediglich das Versichertenstamm- datenmanagement (VSDM) eingeführt, das online die Aktualität der Versichertenstammdaten wie beispielsweise Adressdaten auf der Karte abgleicht und automatisch aktualisiert, ohne dass die Karte ausgetauscht werden muss. Als weitere Anwendungen sind der elektronische Medikationsplan (eMP) und die elektronische Patientenakte (ePA) geplant. Elektronische Patientenakte (ePA) Auf der eGK soll es künftig möglich sein, eine ePA einzurichten (§ 291a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 5 c), in der wichtige medizi- nische Daten abgelegt sind. Wichtig ist, dass der Patient selbst da- rüber bestimmen soll, welche Daten gespeichert beziehungsweise zur Verfügung gestellt werden dürfen und welche nicht. Zurzeit spezifiziert die gematik die Ausgestaltung gemäß E-Health-Gesetz: Die Frage ist: Wird ein Datenzugriff nur erlaubt sein, wenn der elektronische Arztausweis und die eGK in das Lesegerät gesteckt werden, oder kann der Zugriff auch unabhängig erfolgen? Elektronische Gesundheitsakte (eGA) Krankenkassen können selber die Nutzung einer von Dritten ange- botenen eGA gegenüber ihren Mitgliedern finanziell fördern (§ 68 SGB V). Voraussetzung ist, dass die eGA das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten über Befunde, Diagnosen, Therapien, Behandlungsberichte sowie Impfungen für eine fall- und ein- richtungsübergreifende Dokumentation über den Patienten unterstützt. Elektronisches Patientenfach (eFA) Ziel ist, dass Patienten ab 2019 auf ihren Wunsch auch eigen- ständig auf ihre medizinischen Daten zugreifen können (§ 291 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SGB V). Dazu werden Daten der ePA als freiwillig nutzbare Anwendung auf der eGK in das Patientenfach gespiegelt. Patienten sollen aber auch eigene Daten und Dokumente, wie ein Patiententagebuch, Blutzuckermessungen oder rezeptfreie Arzneimittel einstellen können. Die gematik Die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (gematik) in Berlin wurde 2005 von den Spitzenorganisatio- nen im Gesundheitswesen gegründet. Ihre Aufgabe ist die sichere, sektorenübergreifende, digitale Vernetzung des Gesundheitswesens. Sie trägt die Verantwortung für die Telematikinfrastruktur (TI). Bis 2019 soll sie die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Patienten- daten in einer einrichtungsübergreifenden ePA bereitgestellt wer- den können. Glossar Foto: KZBV µ ‚ Confidence in future‘, schön und gut, aber wir befinden uns in Reality, und die neuen datenschutz- rechtlichen Vorgaben haben zur Folge, dass wir unseren Beruf nicht mehr ausüben können. Dr. Wolfgang Eßer 26 Politik
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=