Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 12

zm 108, Nr. 12, 16.6.2018, (1398) Die aktuelle Gallup-Studie zeigt, dass schlechte Führung der Hauptgrund ist, warum 85 Prozent der Mitarbeiter bereits innerlich gekündigt haben. Wie können Praxisinhaber dem entgegen- wirken? Regina Först: Die meisten Chefs zeichnen sich in der Regel durch ein enormes Fach- wissen aus und – leider – eine mangelnde Sozialkompetenz. Die Gallup-Studie bringt das auf den Punkt. Mitarbeiter fühlen sich meist nicht wertgeschätzt und an ihr Unter- nehmen emotional kaum gebunden. Die Folge ist: weniger Eigeninitiative, weniger Leistungsbereitschaft und weniger Verant- wortungsbewusstsein. Jeder Dritte unzufrie- dene Mitarbeiter geht mittlerweile regel- mäßig auf Jobsuche. Gerade bei einer klei- nen Belegschaft kann die hohe Fluktuation negative Auswirkungen haben. Viele Führungskräfte müssen deshalb wirk- lich umdenken. Die junge Generation zwingt sie geradezu dazu! Die nach 1980 Gebore- nen sind schon lange nicht mehr mit einem schicken Diensthandy oder einem neuen Firmenwagen zufriedenzustellen. Viele wol- len stattdessen lieber nur vier Tage die Woche arbeiten, oder ein halbes Jahr in Neuseeland verbringen. Auf diese Bedürfnisse sollten und müssen sich Führungskräfte einstellen. Heißt das nicht im Umkehrschluss, der Mitarbeiter tanzt dem Chef auf der Nase herum? Nein, der Chef soll keinen „Kuschelkurs“ ein- schlagen. Klarheit in der Führung ist extrem wichtig. Die Wertschätzung, der Ton und die Entwicklung der Mitarbeiter stehen dabei im Vordergrund. Wenn ich als Führungskraft dies erkenne und umsetze, dann binde ich die Mitarbeiter emotional an meine Praxis. Es geht überhaupt nicht darum, Mitarbeitern nach dem Mund zu reden oder ihnen alle Wünsche zu erfüllen. Die meisten, vor allem die Azubis, brauchen regelmäßige Ansagen – die sollten dann aber immer klar und deut- lich formuliert sein, zum Beispiel: „Ich weiß, dass Sie das besser können. Das haben Sie in den letzten Wochen doch zigmal bewiesen. Wo ist heute nur Ihre Konzentration?!“ Diese Klarheit in der Führung ist enorm wichtig. Ich bin ein absoluter Gegner von Antiautorität. Vielmehr kommt es auf Ihre innere Haltung an: Sie als Führungskraft dürfen den Mitarbeiter nicht nur als reine Arbeitskraft betrachten, sondern als Menschen mit Bedürfnissen. Aber sind die Forderungen der jun- gen Generation, etwa kürzere Arbeits- zeiten, überhaupt umsetzbar? Das hat doch organisatorische Konsequenzen ... Das stimmt. Aber vieles lässt sich tatsächlich erstaunlich gut organisieren. Vor Kurzem habe ich mit einigen Kollegen ein neues Konzept für eine Zahnarztpraxis in der Nähe von Stuttgart erarbeitet, die ich seit einigen Jahren begleite: Hier haben nicht nur die Mitarbeiter ihre Bedürfnisse nach flexiblerer Freizeit formuliert, sondern auch die Patienten ihr Bedürfnis nach längeren Öffnungszeiten. In der Praxis arbeiten zwar drei Behandler, aber nicht gerade viele Mitarbeiterinnen. Dennoch haben wir es geschafft, ein System mit drei Schichten pro Tag einzuführen, so dass die Patienten nun schon morgens um sieben und noch um 20 Uhr in die Praxis kommen können. Natürlich geht dies nicht in einer Praxis mit einem Behandler und zwei Mitarbeiterinnen. Aber sobald in einer Praxis zwei Behandler arbeiten, kann man gut ein Schichtsystem etablieren, das dann auch den Bedürfnissen der jungen Mitarbeiter entgegenkommt. Eine andere Zahnarztpraxis in Dresden hat sich sogar dafür entschieden, am Montag zu schließen. Sie haben festgestellt, dass an diesem Tag nur wenige Patienten kommen. So konnte der Praxischef demWunsch seiner Mitarbeiter nach einem langen Wochenende gerecht werden. Man muss nicht immer gleich mehr Gehalt bezahlen, umMitarbeiter an sich und die Praxis zu binden. Oft lassen sich ganz andere Lösungen finden. Für viele Praxisinhaber ist es bestimmt erstmal ein Schock, wenn die lang- jährige Mitarbeiterin plötzlich den Wunsch äußert, nur noch vier Tage die Woche arbeiten zu wollen. Das stimmt natürlich. Hier ist der Ton ent- scheidend. Wenn ein Mitarbeiter mir gegen- über den Wunsch äußert, für ein halbes Jahr ein Sabbatical in Neuseeland machen zu wollen, dann sollte ich nicht als erstes sagen „Spinnen Sie eigentlich! Wie haben Sie sich das ? ? ? ? Regina Först zur Frage „Wie binde ich Mitarbeiter langfristig an meine Praxis?“ Fahren Sie mit Ihren Azubis in die Antarktis! Das Marktforschungsunternehmen Gallup zeigt alljährlich, wie es um die Motivation der Angestellten steht und wie sich das auf die Produktivität der Unternehmen auswirkt. Das neueste Ergebnis: Die meisten Mitarbeiter machen nur Dienst nach Vorschrift – Schuld daran sind die Chefs. Unternehmensberaterin Regina Först empfiehlt: Stellen Sie sich auf die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter ein – auch Reise- pläne gehören dazu. Regina Först zählt zu den erfolgreichsten Unternehmensberaterinnen im deutsch- sprachigen Raum. Zu ihren Kunden gehören Audi, Beiersdorf, VR Banken, REWE, Shell oder Wella. Seit über 25 Jahren führt sie in Vorträgen und Coachings Menschen auf den Weg zu Authentizität, Klarheit und Stärke. Foto: M. Goldenbaum 86 Praxis

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=