Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 13

zm 108, Nr. 13, 1.7.2018, (1483) Foto: zm-Axentis.de Dr. Uwe Axel Richter Chefredakteur „Die Telemedizin steht vor dem Durchbruch, kann aber den Kontakt zum Arzt nicht ersetzen“ – so lautet der Titel der Future Health Studie 2018* des renommierten Beratungsunternehmens Pricewaterhouse- Cooper (PwC). Und nun lesen Sie bitte diesen Satz noch einmal und versuchen, den tieferen Sinn zu ergründen. Denken wir vom Ende her, lautet die Antwort: Weil wir es können! Das digitale Angebot formt die Gedanken und Wünsche und damit die Forderungen. Die digitalen Möglichkeiten treiben die Märkte – und eben nicht der Nutzen der Produkte für vom Markt benötigte oder gewünschte Lösungen. Nachfolgend ein typisches Zitat: „Drei Viertel der Deutschen wünschen sich den Ausbau von ärztlichen Beratungs- angeboten im Internet. Gleichzeitig will die Mehrheit auf den direkten Kontakt zum Arzt nicht verzichten. Von neuen Technologien erhoffen sich Patienten verlässlichere Diagnosen und einen besseren Service im Gesundheitswesen. Gesundheitsportale sind die häufigste Informationsquelle im Netz.“ Das sagt Michael Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswesen & Pharma bei PwC Deutschland. Und: „Wir müssen die Telemedizin voranbringen, wenn wir den Anschluss an andere europäische Länder nicht verlieren wollen.“ Aber wer verliert hier den Anschluss an wen und was? Die Patienten an die Versorgung? Oder das Gesundheitswesen an die moderne digitale Welt? Oder die digitale Industrie die im Aktienkurs bereits eingepreiste Wachstumsdynamik in einem der größten Gesundheitsmärkte der Welt? Märkte werden gemacht, auch und gerade im Gesundheits- wesen. Dieses Momentum ist so kraftvoll, dass es über Jahrzehnte hinweg Aufgaben und auch Rollenbilder der wesentlichen Player, seien es nun die Krankenkassen oder die Heilberufler, massiv verändern wird. Gerade Ärzte und Zahnärzte sind besonders betroffen, denn es verändern sich eben nicht nur Arbeitsumfelder und -weisen, sondern auch das über Jahrzehnte weiter- getragene Selbstverständnis. Besonders diese vornehmlich digital induzierte Veränderungsdynamik muss aus meiner Perspektive viel ernster genommen werden, wenn wir die Bedingungen, unter denen wir arbeiten, mitgestalten wollen. Dabei liegt die Betonung auf „mit“, denn die wissenschaftliche Erkenntnis als eine der wesentlichen Kräfte in der Gestaltung des Versorgungsgeschehens findet heutzutage ihre Relativierung in den Verheißungen digi- taler Technik. Mit den Worten von Burkhart klingt das so: „Die Ärzteschaft hat damit [mit dem Beschluss des Deutschen Ärzte- tages zur Fernbehandlung, Anm. der Red.] den Weg für einen weiteren Ausbau der Telemedizin geebnet, der dringend not- wendig ist.“ Dringend notwendig für wen? „Neue Kommunikationstechnologien können die ärztliche Versorgung sinnvoll ergänzen, sofern sie vom Mediziner verantwortungsvoll eingesetzt werden.“ Was ist denn hier Henne und was Ei? „Wir müssen uns in diesem Punkt auch dem internationalen Wettbewerb stellen. Denn in anderen europäischen Ländern wie Großbritannien, der Schweiz oder in Skandinavien ist die Telemedizin längst Standard.“ Welcher Standard ist hier gemeint? In meinen Augen sind das alles merkantile Argumente, bei denen der Patient und seine „Wünsche“ lediglich das Feigenblatt für die umfassende Digitalisierung des Gesund- wesens darstellen. Dennoch beschreibt die PwC-Umfrage lediglich die Situation, in der wir uns bereits seit Längerem befinden und zieht „nur“ die Schlussfolgerung: Wir Heilberufler sitzen nicht im „driving seat“, schon gar nicht im digitalen. Die Frage ist daher: Wie kommen wir da (wieder?) hin? Bestimmt nicht, indem wir die digitale Ent- wicklung im Gesundheitswesen auf TI, eGK und Konnektorenproblematik reduzieren und jetzt noch zu verhindern versuchen. Dieser teure Zug ist schon lange aus dem Bahnhof. Die zweite Frage scheint mir entscheidender: Was muss getan werden, damit das Versorgungszentrum „Praxis“ nicht von der Entwicklung abgekoppelt wird? Ich meine nicht die Digitalität in der Praxis, sondern die externe Wahrnehmung. Nichts wäre schlimmer, als wenn fachlich top aus- gebildete und die Versorgung stemmende Zahnärztinnen und Zahnärzte, nur weil sie digitalen Erwartungen der Patienten (oder besser der Kunden?) nicht entsprechen, auf die wirtschaftliche Verliererstraße geraten. Wir müssen wieder in den digitalen „driving seat“ * Die Studie finden Sie unter: www.pwc.de/futurehealth 3 Editorial

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