Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14
zm 108, Nr. 14, 16.7.2018, (1610) hkk-Gesundheitsreport zu KFO – Undifferenziert und viele Ungereimtheiten \ Leserbrief zum Beitrag „Debatte um KFO-Behandlungen geht weiter – Der Vorwurf: zu viel Röntgen, zu teuer, zu wenig Wirkung“, zm 12/2018, S. 14–16. Ich möchte zu dem „Vorwurf: zu viel Röntgen, zu teuer, zu wenig Wirkung“ gerne Stellung nehmen. Der hkk-Gesundheitsreport untersucht die Versorgung der Versicherten der hkk auf der Grundlage der vorliegenden Ab- rechnungsdaten. Dabei räumen die Autoren selbst in der Ein- leitung zur Studie ein, dass die Daten zum Teil unvollständig und lückenhaft seien. Die Daten waren allerdings nicht nur un- vollständig, sondern mit Sicher- heit auch fehlerhaft: So waren zum Beispiel 13 % der 644 Patienten, die nach Datenlage eine Frühbehandlung erhalten hatten, 12 bis 15 Jahre alt, das heißt, die zweite Wechsel- gebissphase hatte noch nicht begonnen (?). Die Aussagekraft dieser Studie ist daher an sich bereits fraglich. Die Autoren identifizieren die Anfertigung eines OPGs vor Behandlungsbeginn als Routine- diagnostik ohne Berücksichtigung der individuellen Indikation, da 90 % der Patienten mit Regel- behandlung und 85,9 % der Pa- tienten mit einer Frühbehand- lung vor Behandlungsbeginn ein OPG erhalten hatten. Das be- deutet im Umkehrschluss jedoch, dass 10 % bzw. 14,1 % der Pa- tienten zu Behandlungsbeginn kein OPG erhalten haben, durchaus eine Anpassung an die individuellen Gegebenheiten. Unter Berücksichtigung der von den Autoren genannten KIG- Einstufungen U (Unterzahl) mit 4,5 % und S (Retention und Verlagerung von Zähnen) mit 10,6 % liegt die Wahrscheinlich- keit für einen allein röntgenolo- gisch zu verifizierenden Befund bei 15,1 %. Nicht berücksichtigt sind in diesen 15,1 % Kombina- tionsbefunde mit anderen KIG- Einstufungen, z. B. Unterzahl/ Retention bei Einstufung M (Kl. III), D (Kl. II) oder K (Kreuz- biss) sowie weitere therapeutisch relevante Befunde wie Zahn- überzahl und veränderte Wurzel- morphologien. Es ist fragwürdig, unter diesemAspekt auf ein OPG zu verzichten. Auch kann ich die Einschätzung der Autoren, das FRS gehöre zur Routinediagnostik in der Kiefer- orthopädie anhand der Studien- daten nicht teilen, denn auch hier wurde bei 10 % der Patien- ten mit Regelbehandlung und bei 41 % der Patienten mit einer Frühbehandlung überhaupt kein FRS angefertigt. Die Patienten- gruppen, die am häufigsten ein FRS erhielten, waren die Gruppen mit skelettalen Dysgnathien (KIG D, M und O) sowie Patienten, bei denen häufig die Entscheidung Extraktion-/Non-Extraktion ge- troffen werden musste (KIG E und P). Es erfolgte also durchaus eine befundbezogene Anwendung von Röntgenstrahlen. In der Studie werden heraus- nehmbare Geräte als „unwirk- sam“ bezeichnet. Mein Lehrer, Prof. Dr. Joachim Tränkmann, ein sehr erfahrener Behandler im Umgang mit herausnehmbaren Geräten und ein Verfechter der Harmonisierung der Funktion der orofacialen Weichgewebe im Rahmen der kieferorthopä- dischen Behandlung, und auch Prof. Dr. Rolf Fränkel, einer der wichtigsten Vertreter eines funktionellen Therapieansatzes im Rahmen der frühen Korrektur von skelettalen Dysgnathien, würden sich doch sehr, sehr wundern, wenn ihre dokumen- tierten und publizierten Behand- lungserfolge als „unwirksam“ bezeichnet werden. Ohne Zweifel: Der Erfolg einer Behandlung mit herausnehmbaren Geräten ist abhängig von der Compliance und Motivation des Patienten. Unter funktionellen Aspekten ist ein früher Behandlungsbeginn wünschenswert. Diesem wird mit der Möglichkeit zur Früh- behandlung Rechnung getragen. Eine Verringerung der Zahl der Frühbehandlungen, wie von den Autoren gefordert, erschwert einen funktionellen Behandlungsansatz genauso wie die geforderte Behandlung aus- schließlich mit festsitzenden Apparaturen, die sinnvoll erst nach Abschluss der zweiten Wechselgebissphase durchge- führt werden kann. Weiterhin halten die Studien- autoren die Behandlungszeit für zu lange und damit die Behandlung für zu teuer. Die Angaben in der Auswertung ihrer Daten bezüglich der Behandlungszeit sind jedoch widersprüchlich. Zunächst wird eine durchschnittliche Behand- lungsdauer von 3,24 Jahren an- gegeben, bei Betrachtung der verschiedenen untersuchten Gruppen jedoch eine Behand- lungszeit von 2,59 bis 2,78 Jahren. Die Behandlungszeit für die Frühbehandlung betrug 1,28 Jahre. Die Behandlungs- dauer umfasste den Zeitraum zwischen Planerstellung und Ab- schlussmeldung an die Kranken- kasse. Nach den KFO-Richtlinien beinhaltet dieser Zeitraum die Retentionszeit. Die Daten sind daher nicht seriös mit Daten über die Behandlungszeit einer aktiven Behandlung (ohne Re- tention) zu vergleichen, wie dies in der Studie erfolgt ist. Meiner Meinung nach sollten diese Studie und vor allem die von den Autoren gezogenen Schlussfolgerungen sehr, sehr kritisch betrachtet werden. Dr. Christine Langer, Verein Sächsischer Kieferorthopäden e.V. Foto: proDente e.V. 10 Leserforum
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=