Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14
zm 108, Nr. 14, 16.7.2018, (1629) von im Abwasser enthaltenen Partikeln, ausgestattet sind […]“ Wichtig dabei ist, dass diese Regelungen durch Überlegungen zum Umweltschutz be- dingt sind, sie bedeuten damit primär keine Aussage zur Verträglichkeit von Amalgam oder anderen Restaurationswerkstoffen. Allerdings beeinflussen diese Maßnahmen die Indikationsstellung des Amalgams. Fachliche Verantwortung für die Indikationsstellung Auch nach Inkrafttreten der neuen EU-Richt- linien bleibt die letztliche Verantwortlichkeit für die Indikationsstellung jeglichen Restau- rationsmaterials beim behandelnden Zahn- arzt bestehen. Der Text der Verordnung zollt dem Rechnung, indem er ausdrücklich Aus- nahmen zu den Vorgaben (siehe unten) möglich macht. Somit muss der Zahnarzt – zusammen mit seinen Patienten oder den Erziehungsberechtigten – entscheiden, welches Material im Einzelfall verwendet werden soll. Dies sollte auch entsprechend dokumentiert werden. Im Folgenden sollen Empfehlungen zur Umsetzung der neuen EU-Vorgaben zur Amalgamverwendung aus klinischer Sicht gegeben werden. Dabei ist offenkundig, dass wir hier am Anfang einer neuen Entwicklung stehen und die unten aufgeführten Punkte in Zukunft durch neu gewonnene Erfahrung bei der praktischen Umsetzung modifiziert und ergänzt werden müssen. Empfehlungen Milchzähne: In einer direkt vergleichenden klinischen Studie an Milchzähnen zwischen Amalgam und Kompomeren bei einer Beobachtungs- zeit von 2,8 + 1,4 Jahren zeigte Amalgam tendenziell bessere Erfolgsraten, haupt- sächlich wegen geringerer Sekundärkaries [Soncini JA et al., 2007]. Allerdings ergab eine Metaanalyse einzelner – nicht direkt ver- gleichender – Studien keinen signifikanten Unterschiede im klinischen Erfolg zwischen Amalgam und zahnfarbenen Restaurations- materialien mit Ausnahme von konventio- nellem Glasionomer-Zement [Pires CW et al., 2018]. Andererseits ist Amalgam be- kannterweise fehlerverzeihend, was gerade für die Behandlung von Kindern in manchen Fällen hilfreich ist. Bei Milchzähnen muss aber deren begrenzte Verweildauer im Mund berücksichtigt werden. Daher kann man wohl im Sinne einer umweltbedingten Reduktion der Verwendung von queck- silberhaltigen Produkten hier am ehesten auf Amalgam verzichten, auch wenn hier Ausnahmesituationen auftreten können. Als Alternative zum Amalgam stehen bei Milchzähnen adhäsiv verankerte Komposit- kunststoffe und Kompomere [Pires CW et al., 2018] oder konventionelle Glasionomer- Zemente zur Verfügung, letztere aber vor- nehmlich für einflächige Restaurationen [Frencken JE et al., 2012; Frankenberger R et al., 2009]. Auch sogenannte resin- modifizierte Glasionomer-Zemente (RMGIZ) ergaben gute klinische Resultate ohne Ad- häsivtechnik – was allerdings bei manchen Materialien mit einer hohen Freisetzung des Monomers Hydroxyethyl-Methacrylat (HEMA) einhergeht [Sidhu SK and Nicholson JW, 2016; Nicholson JW and Czarnecka B, 2008]. Mittlerweile sind auch HEMA-freie RMGIZ verfügbar. Laboruntersuchungen bestätigen die potenzielle Eignung für die Füllungstherapie in der ersten Dentition – jedoch ohne hinreichende klinische Bestäti- gung. Auch vollkonfektionierte Stahlkronen sind bei ausgedehnteren kariösen Defekten indiziert und zeigten gegenüber Amalgam eine bessere Überlebensrate [Randall RC, 2002] (Abbildungen 1 bis 3). Allerdings kann auch bei Milchzähnen gemäß den neuen EU-Vorgaben mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten Amalgam ver- wendet werden, wenn der Zahnarzt dies aus zwingenden medizinischen Gründen für notwendig erachtet. Beispiele für solche Gründe können sein: \ Behandlung unter Narkose \ umfangreiche Defekte und Stahlkronen nicht möglich (zum Beispiel Nickelallergie) \ Situationen, bei denen die aufwendige Anwendung von Hg-freien Materialien nicht möglich ist, etwa bei stark behandlungsunwilligen Kindern \ hohes Kariesrisiko, etwa durch schlechte Zahnpflege, Xerostomie (medikamentös oder krankheitsbedingt, beispielsweise Sjögren), sowie geistige oder körperliche Beeinträchtigung. Das Kariesrisiko (im Milchzahngebiss) kann zum Beispiel basierend auf der bisherigen Karies- erfahrung bestimmt werden (Tabelle). Restaurationen bis zum 15. Lebensjahr: Die Einschränkung, in diesen Fällen weit- gehend auf Amalgam zu verzichten, ist sehr formal und in dieser Verallgemeinerung wissenschaftlich nicht begründet. Allerdings kann angenommen werden, dass in den meisten Fällen kleinere Primärläsionen – häufig der Klasse I – vorliegen. Hier werden im Allgemeinen minimalinvasive Behand- lungen empfohlen [AWMF, 2016]. Plastische quecksilberfreie Werkstoffe, die hier ange- wendet werden können, sind zunächst Kompositkunststoffe mit Adhäsivtechnik, Definition von Risikogruppen in Altersdifferenzierung bis 3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre 6 – 7 Jahre 8 – 9 Jahre 10 – 12 Jahre Quelle: DAJ, 1993 nicht kariesfrei, dmf(t) > 0 dmf(t) > 2 dmf(t) > 4 dmf/DMF(t/T) > 5 oder D(T) > 0 dmf/DMF(t/T) > 7 oder D(T) > 2 DMF(S) an Approximal-/Glattflächen > 0 29
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