Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14

zm 108, Nr. 14, 16.7.2018, (1634) „Wie will man der Unterversorgung erfolg- reich begegnen, wenn man den überschüs- sigen Leistungsumfang sofort degressiert? Und wie will man junge Kollegen motivieren, den Patienten auf dem Land die Stange zu halten und die Engpässe aufzufangen, wenn man diese Leistungen hinterher gleich wie- der abschöpft und abkassiert?“ Anhand von zwei rhetorischen Fragen umriss der KZBV- Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer das ganze Ausmaß der MVZ-Problematik. Degression killt Motivation „MVZ sind das Thema, das in der Versorgungs- debatte am meisten bagatellisiert wurde“, stellte Eßer klar. „Wenn sich die politischen Vorgaben nicht ändern, werden wir in Zukunft zwei Sorten von Zahnärzten haben: Die, die unter dem Schutz von Großkon- struktionen ihr Geld verdienen und dort reiche und gut situierte Menschen be- handeln, und die, die die restliche Arbeit machen, das heißt, die Versorgung sicher- stellen. Dieses Szenario werde ich mit aller Macht zu verhindern versuchen. Für diese Zukunftsaussichten bin ich nicht Zahnarzt geworden!“ Wie fatal sich das GKV-Modernisierungs- gesetz von 2003 als Ausgangspunkt auf die Versorgung ausgewirkt hat, schilderte Eßer am Beispiel des ärztlichen Sektors: „Ganze Bereiche, wie etwa die Dialyse, liegen mittlerweile in der Hand von auslän- dischen Großinvestoren.“ Die Intention des Gesetzgebers sei ursprünglich gewesen, mithilfe von MVZ die Versorgung insbe- sondere in ländlichen und unterversorgten Gebieten zu verbessern. Eßer: „Fakt ist: Passiert ist genau das Gegenteil! MVZ saugen junge Zahnärzte vom Land ab und spülen sie in die Stadt, in der die Versorgung ohnehin schon gut ist. Das führt zu einer zahnärztlichen Unterversorgung – eine Situation, die wir in der Zahnmedizin bis dato gar nicht kannten. Die Praxis auf dem Land ist nicht nur nicht mehr verkaufbar, sondern sie ist für alle Zeiten weg! MVZ schaffen aktiv Unterversorgung in der Zahn- medizin!“ MVZ heißt Unterversorgung Aktuellen KZBV-Zahlen zufolge sind über 50 Prozent der circa 580 MVZ in Deutsch- land in Ketten organisiert, seit 2017 haben sieben große Kapitalinvestoren mit 85 Mil- liarden Euro im Rücken den deutschen Dentalmarkt für sich entdeckt, den sie nun möglichst schnell durchdringen wollen. „Sie geben Renditeversprechen von bis zu 20 Prozent“, berichtete Eßer, „das bedeutet für die Anleger einen wahren ‚gold rush‘. Für Versorgung ist da kein Platz, damit haben diese Leute nichts am Hut.“ Wie die Lage in Nordrhein aussieht, schilderte der dortige KZV-Vorsitzende Ralf Wagner: „Hier gibt es Krankenhäuser, die sind marode, das ist bekannt, und noch dazu 340 Kilometer vom Gründungs-MVZ entfernt. Die elf angestellten Zahnärzte dienen als Mäntelchen, um als Zahnärzte- MVZ das große Geld zu verdienen. Hier werden Bohrsklaven eingestellt!“ Dass die Investoren die Kliniken benutzen, um sich spinnenartig in der Versorgungslandschaft auszubreiten, bekräftigten unter anderem der Vorsitzende Dr. Holger Seib und Joachim Hoffmann von der KZV Westfalen-Lippe sowie der stellvertretende KZVB-Vorsitzende Dr. Rüdiger Schott und Hamburgs KZV-Chef Dr./RO Eric Banthien. Die zentrale Frage der Delegierten lautete daher: „Wie können wir uns aufstellen, um im Hinblick auf merkantile Strukturen ein Gegengewicht einzunehmen?“ Da die KZBV-Vertreterversammlung in Köln MVZ: Strategien gegen den Ausverkauf Medizinische Versorgungszentren – kurz MVZ – sind das Thema der Stunde: Aus- ländische Kapitalgeber kaufen sich ein, Ziel ist das große Geld, Unterversorgung das Ergebnis. Die Zahnärzteschaft wird diese Entwicklung nicht hinnehmen, machten die Delegierten auf der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) Ende Juni in Köln deutlich. Aber was kann sie tun? Der Vorsitzende des Vorstands der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer, und seine beiden Stellvertreter, ZA Martin Hendges und Dr. Karl-Georg Pochhammer, auf der KZBV-VV in Köln. Foto: KZBV-Jardai 34 Politik

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